Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 26.10.2006; Aktenzeichen 12 O 98/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 26.10.2006 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des LG Halle abgeändert und die Verfügungsbeklagte über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus verurteilt, unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, sich im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken folgender Werbeaussage zu bedienen:

"Rechtsanwalt M. V. hat die Spezialisierung als Fachanwalt für Insolvenzrecht erworben. Führt diese Bezeichnung derzeit nicht, da nach Deutschem Recht nur zwei Fachanwaltstitel pro Berufsträger zulässig sind."

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Verfügungsklägerin zu 1/5 und die Verfügungsbeklagte zu 4/5.

Die Verfügungsbeklagte hat außerdem die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien, zwei Anwaltsgesellschaften in H., streiten über die Zulässigkeit des Internetauftritts der Verfügungsbeklagten.

Die Verfügungsklägerin hat in diesem Zusammenhang erstinstanzlich fünf Unterlassungsanträge gestellt.

Das LG hat mit Urteil vom 26.10.2006 drei Anträgen stattgegeben und zwei zurückgewiesen. Insbesondere hat es folgende Passage für zulässig erachtet:

"Rechtsanwalt M. V. hat die Spezialisierung als Fachanwalt für Insolvenzrecht erworben. Führt diese Bezeichnung derzeit nicht, da nach Deutschem Recht nur zwei Fachanwaltstitel pro Berufsträger zulässig sind."

Zur Begründung ist ausgeführt, dass diese Aussage nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 43b BRAO, 6 BORA nicht zu beanstanden sei. Nach diesen Vorschriften dürfe ein Rechtsanwalt über seine Dienstleistungen und seine Person informieren, soweit die Angaben sachlich unterrichtend und berufsbezogen seien. Die genannte Aussage verstoße nicht gegen das Sachlichkeitsgebot. Die Fachanwaltsbezeichnung weise auf die besondere Qualifikation des Rechtsanwalts für das Fachgebiet hin. Der angesprochene Verkehrskreis könne indes aus der Angabe, dass die Fachanwaltsbezeichnung nicht mehr geführt werde, entnehmen, dass der betreffende Rechtsanwalt über den vertieften Wissensstand nicht mehr verfüge. Der Senat nimmt im Übrigen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Die Verfügungsklägerin hat gegen das ihr am 2.11.2006 zugestellte Urteil am 27.11.2006 Berufung eingelegt und diese am 2.1.2007 begründet.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Verfügungsklägerin ausschließlich gegen die Zulässigkeit der zitierten Aussage auf der Internetseite. Das LG verkenne, dass durch die Werbeaussage gerade nicht vermittelt werde, dass Rechtsanwalt V. über einen vertieften Wissensstand nicht mehr verfüge. Ziel der Werbeaussage sei das Gegenteil: Bei den angesprochenen Verkehrskreisen solle die Vorstellung hervorgerufen werden, dass der Rechtsanwalt zwar über das vertiefte Fachwissen verfüge, aber nur aus rein formalen Gründen die Berufsbezeichnung Fachanwalt für Insolvenzrecht nicht führen dürfe. Dies ergebe sich auch aus dem weiteren Text:

"Gerade für die Beratung von Ihnen in Insolvenzfällen Ihrer Kunden oder Lieferanten ist aber die interne Kenntnis der Abläufe eines Insolvenzverfahrens von unschätzbarem Vorteil, da mit dem Insolvenzverwalter 'auf Augenhöhe' verhandelt werden kann."

Die Verfügungsklägerin vertritt außerdem die Auffassung, dass die landgerichtliche Auslegung in ihrer Konsequenz zu einer Verwässerung der Fachanwaltsbezeichnung führen würde.

Die Verfügungsklägerin stellt den Antrag, das am 26.10.2006 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des LG Halle abzuändern und die Verfügungsbeklagte über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus zu verurteilen, unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren zu unterlassen, sich im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken folgender Werbeaussage zu bedienen:

"Rechtsanwalt M. V. hat die Spezialisierung als Fachanwalt für Insolvenzrecht erworben. Führt diese Bezeichnung derzeit nicht, da nach Deutschem Recht nur zwei Fachanwaltstitel pro Berufsträger zulässig sind."

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt die angefochtene Entscheidung. Insbesondere die in Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit führe zur Zulässigkeit dieser Werbeaussage.

II. Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Die Verfügungsklägerin hat im Gegensatz zur Auffassung des LG einen Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3, 11 UWG i.V.m. § 43b, 43c BRAO, 6 BORA.

1. Das LG geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass § 43b BRAO und § 6 BORA Marktverhaltensregeln darstellen. Es ist auch vertre...

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