Leitsatz (amtlich)

Kreditinstitute haben gegenüber einem Markeninhaber ein Auskunftsverweigerungsrecht hinsichtlich personenbezogener Daten solcher Kunden, über deren Konto der gewerbliche Verkauf von offensichtlich gefälschter Ware abgewickelt worden ist. Die Regelungen in §§ 19 Abs. 2 MarkenG; 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind mit der Richtlinie 2004/48/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 29.4.2004 zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vereinbar.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 28.09.2011; Aktenzeichen 7 O 545/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.10.2015; Aktenzeichen I ZR 51/12)

BGH (Beschluss vom 17.10.2013; Aktenzeichen I ZR 51/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Magdeburg vom 28.9.2011 - 7 O 545/11 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision zum BGH wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Auskunft über Name und Anschrift eines Kontoinhabers in Anspruch.

Die Klägerin ist weltweite Lizenznehmerin für die Herstellung und den Vertrieb des Parfums "D.". Im Rahmen ihrer Marktbeobachtung stieß sie im Januar 2011 auf das Angebot eines Verkäufers, der unter dem Synonym "..." über die Internetauktionsplattform B. Parfum anbot. Nach Auskunft von B. war S. F., J. -Straße 1, M. die Verkäuferin. Der Anbieter erbat die Zahlung auf das bei der Beklagten geführte Konto. Nachdem die Klägerin den Betrag überwiesen hatte, erhielt sie unter dem Nachnamen "H." ein Päckchen mit der Ware. Hierbei handelte es sich um eine auch für einen Laien erkennbare Fälschung (vgl. Anlage K 11; Bd. I, Bl. 44 d.A.). Eine Umsatzanalyse bei B. ergab ferner, dass der Verkäufer "..." zwischen dem 12.12.2010 und 14.1.2011 einen Gesamtumsatz von 10.956,63 EUR erzielt hatte.

Die Klägerin behauptet, sie habe sich an S. F. gewandt und von ihr die Auskunft erhalten, nicht die Verkäuferin des Parfums zu sein und wegen eines bestehenden Zeugnisverweigerungsrechtes keine weiteren Informationen zu erteilen. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 14.3.2011 erfolglos auf, Auskunft über Name und Anschrift des Kontoinhabers zu erteilen.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß und führte zur Begründung aus, es liege eine offensichtliche Rechtsverletzung vor, die unter Nutzung des von der Beklagten bereitgestellten Kontos erfolgt sei. Ein Zeugnisverweigerungsrecht stehe der Beklagten nicht zu. Das Bankgeheimnis wirke nur zwischen der Beklagten und dem Kontoinhaber, nicht jedoch gegenüber Dritten. Zudem überschreite das im nationalen Recht vorgesehene Zeugnisverweigerungsrecht die in Art. 8 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2004/48/EG vorgesehenen Einschränkungen des Auskunftsrechtes.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vertritt sie die Ansicht, das bei ihr geführte Konto stelle keine für die Rechtsverletzung genutzte Dienstleistung dar, da ein Zweckzusammenhang fehle. Der Zahlungsvorgang vollziehe sich erst nach einer vollendeten Schutzrechtsverletzung. Zudem sei die Benutzung für die Durchführung des identitätsverschleiernden Verkaufes weder abstrakt noch konkret erforderlich. Die Beklagte habe den Absatz der gefälschten Ware weder objektiv nach subjektiv gefördert. Sie sei von Rechts wegen verpflichtet, Girokonten auf Guthabenbasis zu führen. Einer Prüfungspflicht, welche Geschäfte über die bei ihr geführten Konten abgewickelt würden, bestünde nicht. Insbesondere sei für sie nicht ersichtlich, ob eine "offensichtliche Rechtsverletzung" vorliege.

Die Beklagte könne sich ferner auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, das alle kundenbezogenen Tatsachen beträfe. Schließlich sei eine Preisgabe von Informationen nach dem Datenschutzrecht nur mit Einwilligung des Kunden möglich, die hier jedoch fehle.

Die Beklagte beantragt, das am 28.9.2011 verkündete Urteil des LG Magdeburg, Geschäftsnummer 7 O 545/11, aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens darauf hin, dass das nationale Markenrecht in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2008/48/EG ausgelegt werden müsse. Das danach postulierte hohe Schutzniveau könne nur erreicht werden, wenn auch Banken zur Auskunft über die mutmaßlichen Rechtverletzer verpflichtet seien, weil der unbare Zahlungsverkehr in Vollzug eines Fernabsatzgeschäftes eine klassische Methode darstelle, die Identität eines Mark...

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