Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 25.10.2007; Aktenzeichen 5 O 873/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 27.04.2009; Aktenzeichen II ZR 133/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.10.2007 verkündete Urteil des LG Magdeburg - 5 O 873/07 (213) - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.333,54 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.4.2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte i.H.v. 24.333,54 EUR aus abgetretenem Recht auf Ausgleich einer Kaufpreisforderung bzw. aus unerlaubter Handlung auf Ersatz des Forderungsausfalls in Anspruch.

Die Beklagte ist Inhaberin des Hotels "E." in B.. Am 3.12.1998 gründete sie die H. GmbH (im Folgenden: GmbH), bei der sie als alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführerin fungierte. Auf Wunsch der Beklagten lieferte der Zedent, R. W., im Zeitraum Dezember 1998 bis Juni 1999 Baumaterial zu einem Gesamtpreis i.H.v. 48.120,27 DM an die GmbH, welches dann im Hotel "E." als einzigem Auftraggeber der GmbH verbaut wurde. Am 28.2.2000 wurde die GmbH in das Handelsregister eingetragen. Am 23.6.2000 stellte die Beklagte als Geschäftsführerin der GmbH Insolvenzantrag. Mit Beschluss vom 12.7.2001 - 341/IN 152/00 - eröffnete das AG Magdeburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH. Am 7.7.2000 erwirkte der Zedent ein Versäumnisurteil (901660/00 LG Magdeburg) gegen die GmbH, aus dem er jedoch nichts vollstrecken konnte, weshalb er am 26.10.2000 Strafanzeige wegen Betruges gegen die Beklagte erstattete.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe die GmbH "als Scheingebilde" von vornherein nur zu dem Zweck gegründet, um sich unter Berufung auf § 13 Abs. 2 GmbHG den berechtigten Kaufpreisforderungen des Zedenten zu entziehen. Die Beklagte hat dies bestritten und sich auf Verjährung berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin sei jedenfalls verjährt, weil sie nicht innerhalb von drei Jahren seit Erstattung der Strafanzeige, als ihr bereits sämtliche Anspruchsbegründenden Tatsachen bekannt gewesen seien, verjährungsunterbrechende Maßnahmen eingeleitet habe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Klägerin trägt vor, sie habe definitive Kenntnis vom Forderungsausfall sowie vom Verschulden der Beklagten erst durch die am 19.4.2006 erfolgte Einsicht in die Strafakten und durch eine Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 6.11.2006 erlangt.

Die Streithelferin schließt sich dem Antrag der Klägerin an, wohingegen die Beklagte die angefochtene Entscheidung verteidigt.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache weitgehend Erfolg, denn die Beklagte ist der Klägerin entweder im Wege der Durchgriffshaftung aus Vertrag (§ 433 Abs. 2 BGB) oder aber aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. § 826 BGB) zur Zahlung von 24.333,54 EUR verpflichtet.

1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Durchgriffshaftung haftet die Beklagte hier bereits vertraglich für die Kaufpreisverpflichtungen der GmbH (§ 433 Abs. 2 BGB), wobei dieser Anspruch auf Grund der durch Versäumnisurteil des LG Magdeburg vom 7.7.2000 - 9 O 1066/00 - ausgesprochenen Verurteilung der GmbH (§ 433 Abs. 2 BGB) in der dort tenorierten und vorliegend geltend gemachten Höhe von 47.592,27 DM (24.333,54 EUR) plus 10 % Zinsen seit dem 30.4.2000 (vgl. Anlage K 27) nach § 218 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. bzw. § 197 Nr. 3 BGB n.F. erst in dreißig Jahren verjährt. Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes:

a) Nach dem in Literatur und Rechtsprechung anerkannten Rechtsinstitut der Durchgriffshaftung muss der GmbH-Gesellschafter in besonderen Ausnahmefällen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen, d.h. dafür mit seinem Privatvermögen haften. In diesen Fällen versagt die Berufung auf das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG; die haftungsausschließenden Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist aufgehoben, die Schuldverpflichtung der Gesellschaft greift auf den Gesellschafter durch. Entscheidender Maßstab hierfür ist die Beurteilung des konkreten Sachverhalts nach den Grundsätzen von Treu und Glauben i.S.d. § 242 BGB. Ergibt sich danach, dass die Berufung auf das Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, w...

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