Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes gem. § 19 Abs. 3 ABEUV, wenn die Erwerbsunfähigkeit der versicherten Person durch seine Beihilfe zum Fahren ohne Fahrerlaubnis verursacht worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Dessau (Urteil vom 16.05.2003; Aktenzeichen 4 O 1642/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen IV ZR 33/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.5.2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Dessau abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 6.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000 Euro.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 35.034,01 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte eine Berufsunfähigkeitsrente für ihren Sohn, J.N., geboren am 19.1.1986, geltend.

Die Klägerin schloss für ihren Sohn, im Folgenden Versicherter genannt, beginnend ab dem 1.8.2001, eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung bei der Beklagten ab. Wegen des von der Beklagten ausgestellten Versicherungsscheins wird auf Anlage B 2, Anlagenband, Bezug genommen. Wegen der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen zur Erwerbsunfähigkeitsversicherung wird auf Anlage B 1, Anlagenband, Bezug genommen.

Der Versicherte traf sich am Nachmittag des 12.10.2001 mit seinen Bekannten J.M., M.Rt., St.Sch. und R.H. auf einem Garagengrundstück in A., Z.-Straße. Dorthin kam auch der zu dieser Zeit 15 Jahre alte M.Rj. mit einem Pkw der Marke Golf, den er zuvor von einem Bekannten erhalten hatte und mit dem er an einem Stock-Car-Rennen in A. teilnehmen wollte. Der Pkw war nicht haftpflichtversichert. M.Rj. nahm die oben genannten Personen in seinem Pkw von A. nach G., Ortsteil K., mit. Er legte sich schlafen, während die übrigen Personen eine Gaststätte besuchten. Gegen 1.00 Uhr des 13.10.2001 wurde er durch diese geweckt. Er wurde gebeten, diesen seinen Pkw zum Zwecke der Heimfahrt zu überlassen. Da M.Rj. wegen der Alkoholisierung der Genannten Bedenken hatte, diesen seinen Pkw zur Verfügung zu stellen, entschloss er sich dazu, die Fahrt selbst durchzuführen. Alle sechs Personen stiegen in den Pkw des M.Rj., wobei der Versicherte vorne rechts auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Zunächst fuhr M.Rj. mit den Genannten nach Ad., wo sie eine Party besuchten.

Diese verließen sie jedoch bereits nach kurzer Zeit, um zurück nach G., zum Elternhaus des M. Rj., zu fahren. Gegen 2.05 Uhr befuhr M.Rj. die Ad.-Straße in J. in Richtung der W.-Straße. Zur gleichen Zeit befuhr G.J. mit ihrem Pkw die W.-Straße und hielt an der Kreuzung zur Ad.-Straße an, weil die dort befindliche Lichtzeichenanlage für sie rot angezeigt hatte. Als diese auf grün umschaltete, fuhr G.J. an und stieß mit dem Fahrzeug des M.Rj. zusammen. Dieser hatte zuvor bemerkt, dass die Lichtzeichenanlage in seine Fahrtrichtung auf rot umgeschaltet war. Einer der Mitfahrenden forderte ihn mit Worten, "los, das schaffst Du noch," auf, weiterzufahren. M.Rj. schaltete das Licht aus, um Querverkehr besser erkennen zu können, und fuhr dann in die Kreuzung ein. Dort kam es zu einer Kollision mit dem Fahrzeug der G.J.

M.Rj. ist durch Urteil des AG Wittenberg vom 22.4.2002 wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichen Führens eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherung und fahrlässiger Körperverletzung zwischenzeitlich rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von 6 Monaten verurteilt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Strafakten, geführt bei der Staatsanwaltschaft Dessau unter dem Geschäftszeichen 562 Js 39614/01, Bezug genommen.

Der Versicherte erlitt als Folge des Unfalls neben knöchernen Verletzungen auch Hirnverletzungen. Als Unfallfolge ist ihm eine spastische rechtsbetonte Tetraplegie und ein schwerstes hirnorganisches Psychosyndrom verblieben. Er befand sich seit dem 30.11.2001 stationär in dem Neurologischen Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche, Fachklinik H., in B. Wegen des von dort unter dem 30.4.2002 erstellten Arztberichts wird auf Anlage B 5, Anlagenband, Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.8.2002 lehnte die Beklagte Versicherungsschutz für den streitgegenständlichen Unfall ab und berief sich darauf, dass der Sohn der Klägerin an einer Straftat beteiligt gewesen sei, bei der er verletzt worden sei. Demnach bestehe für die Unfallfolgen kein Versicherungsschutz. Diese Auffassung wiederholte sie mit Schreiben vom 6.9.2002 (Anlage B 8, Anlagenband).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Sohn sei im Rahmen des Verkehrsunfalls in keiner Weise an einer strafbaren Handlung beteiligt gewesen, so dass ein Ausschluss des Versicherungsschutzes nicht in Betracht komme. Sie hat behauptet, er habe ke...

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