Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf eines Bauvertrages nach Abwicklung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein gesetzliches Widerrufsrecht nach § 312c Abs. 1 BGB wird nur dann begründet, wenn die gesamte zu Vertragsschluss führende Kommunikation zwischen den späteren Vertragspartnern ausschließlich unter Verwendung sog. Fernkommunikationsmittel erfolgt. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn im Rahmen der Vertragsanbahnung auch ein persönliches Gespräch zwischen einem der Bauherrn und dem Vertreter des Bauunternehmers stattgefunden hat.

2. a) Der Begriff eines außerhalb der Geschäftsräume des (Bau-) Unternehmens geschlossenen Vertrages i. S. v. § 312 b Abs. 1 BGB ist legaldefiniert unter Bezugnahme auf vier alternative Fallgruppen, so dass für die Begründung eines gesetzlichen Widerrufsrechts nach dieser Vorschrift die Feststellung des Vorliegens einer konkreten Fallgruppe erforderlich ist.

b) In der Fallgruppe 1 wird zur Voraussetzung der Begründung des Widerrufsrechts eine besondere Vertragsabschlusssituation erhoben, nämlich die gleichzeitige körperliche Anwesenheit beider Vertragsparteien an diesem Ort bei der Abgabe der zum Vertragsschluss führenden Erklärung.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 04.03.2021; Aktenzeichen 3 O 320/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. März 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Zwischenfeststellungsklage (Klageantrag zu Ziffer 1) wird abgewiesen.

2. Die Klage (Klageanträge zu Ziffern 2 bis 4) wird abgewiesen.

3. Auf die Widerklage werden die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte 15.673,51 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. August 2020 sowie weitere 1.642,40 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2020 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch die Vollstreckungsgläubigerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche auf Rückabwicklung eines Bauvertrages wegen eines Widerrufes geltend. Die Beklagte begehrt widerklagend die Zahlung von Restwerklohn.

Die Kläger beabsichtigten die Neuerrichtung eines Einfamilienhauses in der R. Straße im Ortsteil G. von B. . Sie beauftragten das Architekturbüro W. aus L., insbesondere den Mitinhaber H. (künftig: der Architekt), mit der Objektplanung einschließlich der Vergabe der Einzelaufträge und bevollmächtigten den Architekten auch dazu, in ihrem Namen und auf ihre Rechnung Verträge abzuschließen.

Am 19.03.2019 forderte der Architekt die Beklagte unter Übersendung eines konstruktiven Leistungsverzeichnisses zur Abgabe eines Angebotes über KS-Fenster und KS-Fenstertüren für das Bauvorhaben der Kläger auf. Die Beklagte legte ihr (erstes) Angebot am 30.04.2019. Im Rahmen intensiver Vertragsverhandlungen passte sie dieses Angebot mehrmals an die Wünsche der Kläger an. Am 26.07.2019 fand auf der Grundlage des fünften Angebotes der Beklagten eine Besprechung in den Geschäftsräumen des Architekten statt, an welcher neben dem o.a. Architekten der Kläger zu 2) und der Gesellschafter der Beklagten P. B. als deren Bevollmächtigter teilnahmen. Im Ergebnis dieses Gespräches wurde vom Architekten eine Endfassung eines Bauvertrages gefertigt. Diese Endfassung übersandte der Architekt der Beklagten, welche die Vertragsurkunde (in ihren Geschäftsräumen) unterzeichnete und sie dem Architekten zur Gegenzeichnung durch die Kläger zurücksandte. Der Kläger zu 2) unterzeichnete den Vertrag für die Kläger in den Geschäftsräumen seines Architekten.

Mit dem so unter dem 15.08.2019 geschlossenen VOB-Bauvertrag übertrugen die Kläger der Beklagten die Ausführung der Fenster-, Metallbau- und Verglasungsarbeiten (Außenfenster und Haustüren) u.a. auf der Grundlage der Ausführungsplanung des Architekten vom 15.07.2019, einer Fensterliste vom 10.05.2019, dem ursprünglichen Leistungsverzeichnis vom 19.03.2019 und dem (letzten) Angebot der Beklagten vom 09.08.2019. In diesem Vertrag bevollmächtigten die Kläger den Architekten zur Vornahme von Vertragsänderungen. Die auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses ermittelte Nettoauftragssumme betrug 43.609,37 EUR; die Vertragsparteien vereinbarten die Abrechnung der hieraus resultierenden Bruttoauftragssumme (51.895,15 EUR) und eine 50 %-ige Anzahlung durch die Kläger. Eine Widerrufsbelehrung wurde den Klägern nicht erteilt.

Die Beklagte nahm das Aufmaß für ihre Arbeiten und bestellte die für die Montage benötigten Profile und Fenster bei ihrer Lie...

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