Leitsatz (amtlich)

1. Sofern ein vom Insolvenzverwalter erstellter Liquiditätsstatus noch durch ein Sanierungskonzept der Schuldnerin ergänzt wird und sich hieraus übereinstimmende Angaben ergeben, bedarf es der weitergehenden Einholung einer Liquiditätsbilanz nicht.

2. Ein Sanierungsgutachten muss vom Gläubiger selbst geprüft werden. Er kann sich nicht auf pauschale Aussagen aus dem Vorwort des Gutachtens, auf Angaben weiterer Wirtschaftsprüfer oder weiterer Gläubiger verlassen, der Schuldner sei sanierungsfähig. Für ein Vertrauen auf baldige Überwindung der Krise müssen konkrete Umstände vorliegen, die das Vertrauen auf baldige Genesung rechtfertigen.

 

Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 14.07.2017; Aktenzeichen 4 O 708/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. Juli 2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.389.492,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2012 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 10 v.H. und die Beklagte 90 v.H.; von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 3 v.H. und die Beklagte 97 v.H..

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v. H. des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht der Gegner zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.432.794,30 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegenüber der Beklagten nach Insolvenzanfechtung einen Rückzahlungsanspruch für von der F. GmbH (folgend: Schuldnerin) nach behauptetem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im Zeitraum vom 16. November 2010 bis 25. Oktober 2011 geleisteter Zahlungen geltend.

Die am 28. Dezember 1999 mit einer Stammeinlage von zunächst 50.000,00 DM gegründete Schuldnerin gehörte zur so genannten I. Group und beschäftigte sich mit der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb von Stahlbaukomponenten und Systemen aus Schmiedeteilen. Insbesondere fertigte die Schuldnerin Großgetriebe für die Energiewirtschaft, den Schiff- und Fahrzeugbau. Die Beklagte, die bereits die Rechtsvorgänger der Schuldnerin mit Strom beliefert hatte, schloss mit der Schuldnerin am 3. Dezember 2004 einen Stromliefervertrag, der wöchentliche Abschlagszahlungen vorsah (Anlage B 3, Anlagenband). Das Volumen des Strombezuges der Schuldnerin betrug ca. 6 - 10 v.H. der von ihr benötigten Kosten.

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 3. Dezember 2008 wurde das Stammkapital auf 4 Mio EUR erhöht.

In der folgenden Zeit schlossen die Schuldnerin und die Beklagte weitere Stromlieferverträge (Anl. B1 und B2, Anlagenband). Nach den darin einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten waren Rechnungen 14 Tage nach Zugang der Zahlungsaufforderung, Abschläge mit Eintritt des festgelegten Abschlagszeitpunktes fällig.

Im Jahre 2009 geriet die Schuldnerin als Folge der allgemeinen Wirtschaftskrise in eine Krise, deren Ursache erhebliche Umsatzeinbußen sowie die Nichtgewährung einer den Finanzplanungen zugrunde gelegten Investitionszulage i.H.v. 1,2 Millionen EUR war.

Ende Februar 2010 bestanden zu Gunsten der Beklagten aus Rechnungen vom 12. Januar 2010 und 4. Februar 2010 Forderungen i.H.v. 313.098,64 EUR. Am 3. März 2010 erklärte die Beklagte, dass eine Weiterversorgung nur erfolgen werde, wenn wöchentliche Vorauszahlungen ab dem 15. März 2010 geleistet würden, andernfalls drohe ein Lieferstopp. Am 5. März 2010 schlossen die Beklagte und die Schuldnerin eine Vereinbarung, wonach die Schuldnerin wöchentliche Vorauszahlungen zu leisten hatte. Trotz dieser Vorauszahlungsvereinbarung stiegen die Verbindlichkeiten aus den Stromlieferungen weiter an. Ab den Monaten April/Mai 2010 kam es hinsichtlich der wöchentlichen Vorauszahlungen zu Zahlungsstockungen. Am 6. Mai 2010 bestanden offene Verbindlichkeiten i.H.v. 369.966,26 EUR, welche teilweise seit Januar 2010 zur Zahlung fällig waren.

Im Jahr 2009 erwirtschaftete die Schuldnerin noch einen Jahresüberschuss i.H.v. 739.654,87 EUR. Am 30. Juni 2010 betrugen ihre Kreditverbindlichkeiten 7.464.700,00 EUR, Lieferantenverbindlichkeiten bestanden i.H.v. 1.816.100,00 EUR, wobei für Verbindlichkeiten i.H.v. 1.072.100,00 EUR Ratenzahlungen vereinbart waren. Die sofort fälligen Verbindlichkeiten anderer Lieferanten betrugen 744.000 EUR. Weitere Verbindlichkeiten bestanden i.H.v. 944.500 EUR sowie Umsatzsteuerverbindlichkeiten i.H.v. 174.200,00 EUR. Die Kontokorrentlinien der Schuldnerin über 7.325.000,00 EUR waren ausgeschöpft. Die liquiden Mittel der Schuldnerin beliefen sich auf insgesamt 130.108,66 EUR.

Daraufhin beauftragte die Schuldnerin den Unternehmensberater P. N. mit der Erstellung eines Sanierungskonzeptes, welches dieser am 23. August 2010 vorlegte. Wegen der Einzelheiten des Sanierungskonzepts wird auf Anl. B4, Anlagenband, Bezug genommen.

Der Unt...

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