Leitsatz (amtlich)

1. Der Erlass eines Teilurteils über eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung ist zulässig, ohne zugleich ein Grundurteil hinsichtlich einer Zahlungsverpflichtung zu erlassen.

2. Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 EEG 2004 ist hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Lieferung von Strom an Letztverbraucher dahin auszulegen, dass als Letztverbraucher auch verbundene Unternehmen anzusehen sind.

3. Vorm Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 EEG 2004 sind diejenigen Strommengen ausgenommen, die vom Letztverbraucher selbst erzeugt und verbraucht werden (sog. "Eigenstrom"). Einer Identität zwischen Energieerzeuger und Letztverbraucher steht es nicht gleich, wenn eine vorübergehende (mehrere Jahre andauernde) Änderung der Unternehmensstruktur durch Aufspaltung in mehrere rechtlich selbständige Unternehmungen erfolgt, die einzelnen Unternehmungen aber wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch eng verbunden sind.

4. Die in § 14 EEG 2004 bzw. § 14a EEG 2006 geregelten Fristen für die Geltendmachung der Ansprüche des Belastungsausgleichs gegenüber dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind keine materiell-rechtlichen Ausschlussfristen.

5. Zu den prozessualen Auswirkungen der Eröffnung eines beihilferechtlichen Prüfverfahrens durch die Europäische Kommission nach Art 108 Abs. 2 AEUV.

6. Hat der Gesamtspruchkörper eines Kollegialgerichts mit allen Richtern, die an der letzten mündlichen Verhandlung mitgewirkt haben, über das Urteil beraten und abgestimmt, so kann über die Frage der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aus Anlass des Eingangs eines nicht nachgelassenen Schriftsatzes vor der Verkündung im Falle der Verhinderung eines dieser Richter (hier: wegen zwischenzeitlichen Senatswechsels) der Spruchkörper in der verbleibenden Besetzung entscheiden.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 04.03.2013; Aktenzeichen 4 O 1808/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.05.2015; Aktenzeichen VIII ZR 56/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 4.3.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil des Senats und das o.a. Urteil des LG sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision der Beklagten wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Prozessparteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Teilnahme am EEG-Belastungsausgleich für den Zeitraum vom 1.8.2004 bis zum 31.12.2008. Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über den Umfang der Stromlieferungen eines ehemals verbundenen, nunmehr auf die Beklagte verschmolzenen Unternehmens an Letztverbraucher einschließlich der Beibringung von entsprechenden Bescheinigungen eines Wirtschafts- bzw. vereidigten Buchprüfers, um anschließend einen Anspruch auf Abnahme und Vergütung von Strom zum Vollzug des Belastungsausgleichs geltend machen zu können.

Die Klägerin ist die für den Betrieb der Übertragungsnetze regelverantwortliche Netzbetreiberin, d.h. sie betreibt in ihrer Regelzone, welche u.a. auch die Landesgebiete von Sachsen und Sachsen-Anhalt umfasst, die Elektrizitätsnetze der höchsten Spannungsebene.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, welches an zwei Standorten (in S. und P.) Braunkohle-Tagebaue betreibt, zudem in deren unmittelbaren Nähe drei Braunkohle-Kraftwerke (in W., D. und M.) und ein eigenes Stromverteilernetz. Das Unternehmen gehört zu einem Konzernverbund, welcher im hier maßgeblichen Zeitraum vom 1.8.2004 bis zum 31.12.2008 u.a. wie folgt strukturiert war: Zum Unternehmensverbund gehörte die ... GmbH & Co. KG (künftig: KG); als deren Geschäftsfelder wurden die Stromerzeugung, der Betrieb eines Stromverteilnetzes und der Stromvertrieb bestimmt. Die Beklagte veräußerte an die KG ihre drei o.g. Kraftwerke, um sich Kapital zur Sanierung der Tagebaubetriebe zu verschaffen, wobei ein Rückkauf der Anlagen zum 31.12.2008 vorgesehen und zu diesem Zeitpunkt auch vollzogen wurde. Mit der ... Betriebs GmbH (künftig: Betriebs GmbH) wurde zugleich ein Dienstleistungsunternehmen geschaffen, welches bis zum 31.12.2008 den Betrieb der Kraftwerke gewährleistete. Schließlich wurde der ... Vertriebs GmbH (künftig: Vertriebs GmbH) der Vertrieb des von der KG produzierten Stroms bis zum 31.12.2008 übertragen. Die Kernaufgabe der Beklagten bestand in dieser Zeit im Betrieb der Braunkohle-Tagebaue. Mit Wirkung zum 1.1.2009 gingen die Verbindlichkeiten der Vertriebs GmbH wegen der Verschmelzung beider Unternehmen auf sie über (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).

Wesentliche Grundlage der Tätigkeit der Vertriebs GmbH waren zwei Vertragsverhältnisse. Zwischen der KG (laut Vertragseingang "... als Eigentümerin und Betreiberin der Industriekraftwerke ...") und der Vertriebs Gmb...

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