Entscheidungsstichwort (Thema)

Ergänzende Rettungsdienstleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach den Regelungen der VOL/A 2006 liegt ein schwerwiegender Grund i.S.v. § 26 Nr. 1 lit. d) VOL/A vor, der die Aufhebung der Ausschreibung rechtfertigen kann, wenn aufgrund von Mängeln bei der Fertigung der Eingangsvermerke auf den Angeboten und bei der Kennzeichnung der wesentlichen Bestandteile der bei Submission vorliegenden Angebote nicht mehr zweifelsfrei feststellbar ist, was Angebotsbestandteil im Zeitpunkt des Ablaufs der Angebotsfrist war.

2. Zu den erstattungsfähigen Kosten im Rahmen eines Anspruchs nach § 126 S. 1 GWB.

3. Im Rahmen eines Anspruchs des Bieters gegen die Vergabestelle nach §§ 280, 241 Abs. 2 und 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf Ersatz des negativen Interesses sind vergebliche Aufwendungen zur Vorbereitung der Leistungsausführung vor der Zuschlagserteilung nur ausnahmsweise erstattungsfähig, wenn der Vertragsschluss zwischen den Parteien als sicher anzunehmen war, der Bieter seine Aufwendungen gerade im Vertrauen hierauf vorgenommen und die Vergabestelle den Vertragsschluss ohne triftigen Grund verhindert hat (hier verneint).

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 10.10.2012; Aktenzeichen 36 O 63/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.10.2012 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Magdeburg teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage wird teilweise abgewiesen, soweit die Klägerin von der Beklagten den Ersatz folgender Schadenspositionen verlangt:

a) die Kosten des Leasings von Ausstattungspaketen für Rettungsfahrzeuge gemäß der Leasingscheine 7744/011 und 7744/012 jeweils vom 7.6.2010 ( i.H.v. 34.389,60 EUR),

b) die Kosten der Renovierung des als Rettungswache vorgesehenen Gebäudes H. Straße 7 in M. gemäß Rechnung der Fa. C. vom 25.5.2010 ( i.H.v. 2.783,08 EUR),

c) die Kosten der Personaleinstellungsgespräche am 14.4. und 22.4.2010 in M. ( i.H.v. insgesamt 751,69 EUR) sowie

d) die Kosten für eigene Mitarbeiter gemäß der Aufstellung auf Seite 7 der Klageschrift vom 5.4.2012 ( i.H.v. insgesamt 2.694,83 EUR).

2. Im Übrigen ist die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt.

II. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadenersatz wegen vergeblicher Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem - später aufgehobenen - Vergabeverfahren und mit der Vorbereitung der alsbaldigen Ausführung der Leistungen sowie die Erstattung verschiedener vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.

Die Beklagte ist Trägerin des bodengebundenen Rettungsdienstes in ihrem Hoheitsgebiet. Im Ergebnis einer Kontrolle der Einhaltung der Hilfsfristen schrieb sie im Dezember 2009 die Vergabe eines Dienstleistungsauftrags durch Indienstnahme von drei Rettungswagen Typ C mit Fahrzeugbesatzungen an drei Standorten auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A, Ausgabe 2006 (VOL/A 2006) aus. Die Leistungen sollten der Ergänzung der bereits geschlossenen Verträge über Rettungsdienstleistungen dienen. Der Netto-Auftragswert wurde von der Beklagten auf 800.000 EUR geschätzt (vgl. Bekanntmachung vom 22.12.2009, ABl. EU 2009/S 246-352852). Wegen der Verlängerung der Angebotsfrist wurde die ursprüngliche Vertragslaufzeit vom 1.4.2010 bis 12.1.2011 bei einer Bindefrist der Angebote bis zum 15.3.2010 verschoben auf die Zeit vom 1.5.2010 bis 30.6.2011 bei einer Bindefrist bis zum 8.4.2010 (vgl. Bekanntmachung v. 19.1.2010, ABl. EU 2010/S 12-014170).

Die Klägerin beteiligte sich mit einem Angebot am Vergabeverfahren. Mit Schreiben vom 25.3.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag nach Ablauf der Wartefrist des § 101a Abs. 1 GWB 2009 auf das Angebot der Klägerin zu erteilen.

Einer der Mitbewerber leitete nach erfolgloser Rüge der vorgenommenen Angebotsbewertung durch die Beklagte als fehlerhaft, insbesondere der Bewertung des Angebotsendpreises der Klägerin als angemessen i.S.v. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A, ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren ein. Hierüber informierte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 6.4.2010 und bat vorsorglich um Verlängerung der Bindefrist für das Angebot bis zum 11.5.2010. Die Klägerin stimmte der Bindefristverlängerung zu und beantragte bei der Vergabekammer die Beiladung zum Nachprüfungsverfahren. Die Vergabekammer lehnte den Antrag der Klägerin auf Beiladung ab; sie wies die Beteiligten im Nachprüfungsverfahren darauf hin, dass auf einem der Angebote kein hinreichender Eingangsvermerk angebracht worden sei und dass mehrere Angebote, darunter auch das Angebot der Klägerin, bei ihrer Eröffnung nicht hinreichend gekennzeichnet worden seien. Insbesondere seien die verschlossenen Umschläge mit den kalkulatorischen Angaben der Bieter jeweils nicht gekennzeichnet worden, so dass die Gefahr ihres Austausches nach Ablauf der Angebotsfrist bestanden hab...

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