Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, wann eine Abfindung im Rahmen der Prozessführung einzusetzendes Vermögen darstellt.

 

Verfahrensgang

LG Stendal (Aktenzeichen 23 O 130/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Stendal vom 22.8.2002 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten der sofortigen Beschwerde zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin sucht um Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage vor dem LG Stendal gegen die Antragsgegner wegen Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nach.

Sie wurde als Beifahrerin am 14.1.2000 auf der Landstraße zwischen K. und O. bei einem Verkehrsunfall verletzt, den der Antragsgegner zu 1. allein verschuldet hat. Bei dem Unfall erlitt die Antragstellerin eine Nasenbeinprellung, ein Hals-Wirbelsäulen-Schleudertrauma und eine Knieprellung. Die Antragsgegnerin zu 2) zahlte ihr ein Schmerzensgeld i.H.v. 3.000 DM. Mit der beabsichtigten Klage erstrebt die Antragstellerin ein Schmerzensgeld i.H.v. weiteren 12.000 DM. Hierzu behauptet sie, dass sie immer noch an den Folgen des Verkehrsunfalls leide, insb. unter Kopfschmerzen und Muskelschmerzen im Schulter- und Armbereich, einem „Kribbel-Gefühl” in einer Hand und Beeinträchtigungen beim Bewegen des Kopfes.

Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, dass die unfallbedingten Beschwerden bei der Antragsstellerin und ihrem Ehemann zunächst vollständig abgeklungen und erst später – und zeitgleich bei der Antragstellerin und ihrem Ehemann – wieder aufgetreten seien. Dies deute darauf hin, dass es sich bei den geschilderten Beschwerden, deren Vorliegen die Antragsgegnerin bestreitet, nicht um unfallbedingte Verletzungsfolgen handele.

Die 3. Zivilkammer des LG Stendal hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 22.8.2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Einzelrichter ausgeführt, dass es der Antragstellerin zuzumuten sei, ihr Sparvermögen i.H.v. 25.000 Euro, das ihr zusammen mit ihrem Ehemann zustehe, zur Prozessführung einzusetzen. Zudem stehe der Bewilligung entgegen, dass die Antragstellerin erst vor kurzem einen Neuwagen des Typs Landrover für 56.000 DM angeschafft habe.

Hiergegen richtet sich die am 30.8.2002 beim LG eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom selben Tage, zu deren Begründung sie ausführt, dass sie zwar zusammen mit ihrem Ehemann ein gemeinsames Sparguthaben unterhalte, so dass auch ihr die ihrem Ehemann zugeflossenen Beträge aus einer Abfindung der L. i.H.v. 30.800 DM und seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der G., i.H.v. 15.400 DM zustünden, diese Beträge aber im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu berücksichtigen seien, da es sich bei der Abfindung der Arbeitgeberin um einen Ersatz für Arbeitseinkommen und bei der Zahlung der Brandkasse um eine Invaliditätsleistung handele. Der angeschaffte Neuwagen trage zudem dem seit dem Unfall gestiegenen Sicherheitsbedürfnis der Antragstellerin und ihres Ehemannes Rechnung.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin mit Beschluss vom 30.9.2002 nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 569 Abs. 2 und 1 i.V.m. 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und zulässig, insb. fristgerecht binnen eines Monats eingelegt, § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO; da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde, hat auch der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden, § 568 S. 1 ZPO.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Das LG hat zu Recht die beantragte Prozesskostenhilfe versagt, weil die Antragstellerin nicht i.S.d. Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO bedürftig ist.

Zur Prozessführung hat eine Partei nicht nur gem. § 115 Abs. 1 ZPO ihr Einkommen, sondern nach § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO auch das ihr zur Verfügung stehende Vermögen einzusetzen. Dazu zählt vorliegend auch das der Antragstellerin zur Verfügung stehende Sparguthaben auf dem mit ihrem Ehemann gemeinsam geführten Sparbuch, soweit es einen Wert von 4.500 DM übersteigt (Wax in MünchKomm/ZPO, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, § 115 Rz. 82). Abzustellen ist bei dem Ansatz des Vermögens gem. § 115 Abs. 2 S. 2 ZPO auf die Vorschriften des § 88 BSHG. Danach ist gem. § 88 Abs. 1 BSHG grundsätzlich davon auszugehen, dass zur Verfügung stehendes Vermögen einzusetzen ist. Zumindest für die von der L. gezahlte Abfindung i.H.v. 30.800 DM, die mangels anderer Angaben der Antragstellerin hälftig zusteht, greifen auch die Schutzvorschriften des § 88 Abs. 2 BSHG nicht ein, so dass lediglich zu klären ist, ob der Antragstellerin der Einsatz dieses Vermögens i.S.d. § 88 Abs. 3 BSHG zumutbar ist, also die Verwertung für die Antragstellerin keine Härte bedeutet.

Dass der Einsatz dieses Vermögens hier zumutbar ist, unterliegt dabei keinem Zweifel. Es handelt sich vorliegend nicht um einen gezahlten Schmerzensgeldbetrag, oder um eine Abfindung nach Kündigungsschutzgesetz, die – weil sie...

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