Leitsatz (amtlich)

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 119a StPO ist auch für die Untersuchungshaft betreffende abstrakt-generelle Regelungen mit unmittelbarer Außenwirkung, welche nicht nur den einzelnen Gefangenen, sondern die Gesamtverhältnisse in der Justizvollzugsanstalt zur Gestaltung der Untersuchungshaft betreffen, der zulässige Rechtsbehelf.

2. Der Maßnahmebegriff des § 119a StPO ist nicht anders zu verstehen als der des § 109 StVollzG (vgl. OLG Koblenz a. a. O.), welcher im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG weit auszulegen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. März 2019, 2 BvR 2255/17 und 2 BvR 2272/17, juris) und nach stetiger Rechtsprechung auch allgemein-abstrakte Maßnahmen umfasst.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Entscheidung vom 31.05.2019; Aktenzeichen 29 Ns 622 Js 39007/14)

 

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Magdeburg vom 31. Mai 2019 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Durch das noch nicht rechtskräftige Urteil vom 22.02.2019 hat das Landgericht Magdeburg - 9. große Strafkammer - den Angeklagten erneut wegen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften in 2 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit 112 rechtlich zusammentreffenden Fällen des Betruges und in einem Fall in Tateinheit mit 42 rechtlich zusammentreffenden Fällen des Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten verurteilt.

Zudem hat es mit Beschluss vom selben Tage den Haftbefehl neugefasst und den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet.

Mit am 15. Mai 2019 eingegangenen Schreiben wendet sich der Angeklagte gegen die Bedingungen seiner Untersuchungshaft.

Er bemängelt, dass er "überwiegend regelmäßig" in seiner 11 qm kleinen Zelle eingeschlossen werde. Ferner werde ihm die Uhrzeit (8:00 Uhr - 9:00 Uhr) für den einstündigen Freigang vorgeschrieben. Die auf der Etage befindliche Küche dürfe er nur nach vorheriger Anmeldung und ebenfalls nur für eine Stunde am Tag nutzen. Ferner dürfe er sich auch während der Tageszeit von 9:00 Uhr bis 16:00 Uhr nicht frei auf dem abgetrennten Flügel bewegen, sondern erhalte nur von 9:00 Uhr bis 10:00 Uhr Aufschluss.

Ferner befinde sich an seinem Zellenfenster ein engmaschiges Gitter, welches allein dem Zweck diene, die Luftzirkulation zu beeinflussen, was menschenunwürdig sei. Er dürfe aktuell nur 10 Minuten täglich telefonieren, während Strafgefangenen auf anderen Stationen längere Telefonzeiten zur Verfügung stünden. Mit Ausnahme der Verteidigerpost werde seine Post einer Kontrolle in seiner Abwesenheit unterzogen, so dass nicht ausgeschlossen sei, dass Dritte seine Post läsen.

Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt ... hat mir Schreiben vom 29. Mai 2019 hierzu Stellung genommen. Dieses Schreiben hat die 9. große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 119a StPO ausgelegt und mit Beschluss vom 31. Mai 2019 den Antrag als unzulässig verworfen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagten mit seiner Beschwerde vom 5. Juni 2019, welche er mit Schreiben vom 18. Juni 2019 weiter begründet hat.

Das Landgericht hat der Beschwerde am 25. Juni 2019 nicht abgeholfen und die die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Beschwerde des Angeklagten ist zwar gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 119a StPO ist auch für die Untersuchungshaft betreffende abstrakt-generelle Regelungen mit unmittelbarer Außenwirkung, welche nicht nur den einzelnen Gefangenen sondern die Gesamtverhältnisse in der Justizvollzugsanstalt zur Gestaltung der Untersuchungshaft betreffen, der zulässige Rechtsbehelf (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 29. November 2017 - 2 VAs 18/17 - m. w. N., ohne nähere Begründung auch KG Berlin, Beschluss vom 27. Juni 2011 - 3 Ws 136/11,OLG Naumburg, Beschluss vom 17. August 2010 - 2 ARs 7/10; a.A. OLG Hamm, Beschluss vom 4. Oktober 2011, 1 VAs 42/11, jew. juris). Der Maßnahmebegriff des § 119a StPO ist nicht anders zu verstehen als der des § 109 StVollzG (vgl. OLG Koblenz a. a. O.), welcher im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG weit auszulegen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. März 2019, 2 BvR 2255/17 und 2 BvR 2272/17, juris) und nach stetiger Rechtsprechung auch allgemeinabstrakte Maßnahmen umfasst. Bei einer Trennung des Rechtsweges zwischen § 119a StPO für konkrete und nach §§ 23 ff. EGGVG für allgemeine-abstrakte Regelungen würden nicht nur unnötige Abgrenzungsschwierigkeiten geschaffen, sondern es würde auch das von dem Gesetzgeber verfolgte Ziel, das aufwändige Verfahren nach §§ 23ff. EGGVG im Bereich des Untersuchungshaftvollzugs durch den einheitlichen und einfacheren Rechtsbehelf nach § 119a StPO zu ersetzen (BT-Drucksache 16/11644, S. 31), ohne erkennbaren sachlichen Grund verfehlt.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch unbegründ...

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