Leitsatz (amtlich)

Die Leistungsfähigkeit nach § 1603 BGB bestimmt sich nicht alleine nach dem tatsächlich erzielten Einkommen, weil zur Sicherstellung des Mindestunterhaltes der Schuldner einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit unterliegt (vgl. u.a. Wiedenlübbert, NJ 2002, 337 ff.).

Selbst bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit muss der Unterhaltspflichtige alles Zumutbare unternehmen, um durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen.

Die bloße Meldung beim Arbeitsamt oder Beschränkung auf die Vermittlungstätigkeit desselben sind nicht ausreichend.

Die unternommenen Bemühungen müssen im Unterhaltsprozess konkretisiert werden, und zwar durch eine nachprüfbare Aufstellung von monatlich durchschnittlich 20 bis 30 Bewerbungen, die konkret auf die entspr. Stellenangebote zugeschnitten sein müssen; Blindbewerbungen reichen grundsätzlich nicht aus.

 

Verfahrensgang

AG Wittenberg (Aktenzeichen 5 F 287/02)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des AG Wittenberg vom 4.10.2002, Az.: 5 F 287/02, wird zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die gem. den §§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den ihm Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des AG Wittenberg vom 4.10.2002, Az.: 5 F 287/02 (Bl. 42 bis 43 d.A.), ist nicht begründet.

Denn zu Recht hat das AG das Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen einer Partei gem. den §§ 114, 115 ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Beklagten gegen die in zulässiger Prozessstandschaft gem. § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB von seiner getrennt lebenden Ehefrau, der Klägerin, erhobene Klage auf Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrags/Ost gem. § 2 Regelbetrag-VO für seine minderjährigen Tochter J., geboren am 12.10.1991, verneint.

Der Senat schließt sich nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage den zutreffenden Ausführungen des AG in dem angefochtenen Beschluss sowie in der Nichtabhilfeentscheidung vom 25.10.2002 (Bl. 57 d.A.) an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Bezug.

Auch das Beschwerdevorbringen vermag die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage zu stellen, so dass der Senat keine Veranlassung sieht, diese zu Gunsten des Beklagten abzuändern.

Ergänzend sei Folgendes bemerkt:

1. Der Beklagte kann sich nicht auf fehlende Leistungsfähigkeit berufen, weil er das Vorliegen derselben, unabhängig von den Erwägungen des AG, schon nicht schlüssig dargelegt hat. Denn er ist zur Zahlung des für den Zeitraum ab dem 1.12.2001 klägerseits geltend gemachten Unterhaltes i.H.v. 100 % des Regelbetrags/Ost als leistungsfähig anzusehen, da er sich zumindest so behandeln lassen muss, als verfüge er über entspr. hinreichende Einkünfte. Seine Leistungsfähigkeit bestimmt sich nämlich nicht allein nach seinem tatsächlichen Einkommen, sondern nach den zumutbarerweise erzielbaren Einkünften, weil er zur Sicherstellung des Mindestunterhalts gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit unterliegt, die sich auch, sofern nötig, bei einem vollschichtig Erwerbstätigen auf die Aufnahme einer geeigneten Nebentätigkeit erstreckt (vgl. OLG Hamm v. 1.9.1999 – 11 UF 3/99, OLGReport Hamm 2000, 253 = FamRZ 2000, 1178; Wiedenlübbert, Erhöhte Erwerbsobliegenheit des Barunterhaltspflichtigen, NJ 2002, 337 [338] m. z. N. in Fn. 20).

Selbst bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit muss der Unterhaltsverpflichtete alles Zumutbare unternehmen, um durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit seine Leistungsfähigkeit wieder herzustellen. Die unternommenen Anstrengungen müssen im Unterhaltsprozess konkretisiert werden, und zwar durch eine nachprüfbare Aufstellung von monatlich durchschnittlich 20 bis 30 Bewerbungen, die konkret auf die entspr. Stellenangebote zugeschnitten sein müssen; Blindbewerbungen reichen grundsätzlich nicht aus (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1603 Rz. 38; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rspr. zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rz. 619, 620). Als Arbeitsloser muss sich der Unterhaltspflichtige intensiv und ernsthaft um eine neue Arbeitsstelle bemühen. Hierzu reicht die Meldung beim zuständigen Arbeitsamt nach der st. Rspr. des Senats keinesfalls aus, um der gesteigerten Erwerbsobliegenheit Genüge zu tun. Ebensowenig genügt es, sich auf die Vermittlungsbemühungen durch das Arbeitsamt zu beschränken, der Unterhaltsschuldner muss vielmehr selbständig Arbeitsuche betreiben, dementsprechend sich auf Stellengesuche schriftlich bewerben und ggf. sogar selbst eigene Stellenanzeigen schalten.

2. Die diesbezügliche – bislang nicht erfüllte – Darlegungs- und Beweislast für eine unter Umständen fehlende Leistungsfähigkeit trifft nach der gesetzlichen Konzeption des § 1603 BGB, der als Ausschluss- bzw. Ausnahmetatbestand zur prinzipiell gegebenen Unte...

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