Leitsatz (amtlich)

Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung - falsche Rechtsmittelfrist - rechtfertigt für einen in erster Instanz anwaltlich vertretenen Beteiligten keine Wiedereinsetzung.

 

Verfahrensgang

AG Halle (Saale) (Beschluss vom 17.03.2003; Aktenzeichen 26 F 64/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die einstweilige Anordnung des AG - Familiengerichts - Halle (Saale) vom 17.3.2003 wird auf ihre Kosten verworfen.

Der Beschwerdewert beträgt EUR 1.500.

 

Gründe

I. Mit der im Tenor benannten einstweiligen Anordnung vom 17.3.2003 - die auf Grund mündlicher Verhandlungen vom 16.2. und 14.3.2011 erlassen wurde - hat das Familiengericht seine zuvor im schriftlichen Verfahren erlassene einstweilige Anordnung vom 19.1.2011 bestätigt, mit welcher das vorläufige Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die vorläufige Gesundheitsfürsorge für das (am 7.8.2002 geb.) eheliche Kind der Beteiligten zu 1 (Kindesmutter) und 2 (Kindesvater) dem Kindesvater übertragen wurden (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Außerdem war die Beteiligte zu 1 mit der schriftlichen Anordnung vom 19.1.2011 verpflichtet worden, das Kind an den Kindesvater herauszugeben (§ 1632 BGB). Das Kind befindet sich spätestens seit 24.2.2011 beim Kindesvater, und es weigert sich, mit der Kindesmutter nach Ungarn zu gehen, wie die Beteiligte zu 3 unter dem 2.3.2011 berichtet hat; damit hat sich die Herausgabeverfügung erledigt, die übrigen vorläufigen Verfügungen haben Bestand.

Die auf Grund mündlicher Verhandlungen erlassene einstweilige Anordnung vom 17.3.2003 wurde dem erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter, Rechtsanwalt K. in H., am 24.3.2011 zugestellt (Bl. 225 I d.A.).

Am 13.4.2011 hat die Kindesmutter gegen die Anordnung beim Familiengericht sofortige Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel sogleich (in deutscher Sprache) begründet (Bl. 251 I ff. d.A.).

II. Die sofortige Beschwerde ist nicht zulässig, weil die Beschwerdefrist - von zwei Wochen ab Zustellung der einstweiligen Anordnung (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) - nicht gewahrt ist:

1. Deutsche Gerichte sind zuständig, und deutsches Recht ist anwendbar. Dies ergibt sich bereits aus Art. 20 der sog. Brüssel-IIa-VO (EG-Verordnung Nr. 2201/2003), wonach die Gerichte eines Mitgliedsstaates in dringenden Fällen ungeachtet der übrigen Bestimmungen der EG-VO die nach dem Recht dieses Mitgliedsstaates vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen in Bezug auf in diesem Staat befindliche Personen anordnen können (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., S. 2991). Das Kind befindet sich spätestens seit 24.2.2011 wieder beim Kindesvater in Deutschland.

Entsprechendes gilt nach Art. 5 und 15 des Haager Kinderschutzübereinkommens vom 19.10.1996, das für Deutschland am 1.1.2011 in Kraft getreten und auch von Ungarn ratifiziert worden ist (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 70. Aufl., S. 2593 ff.). Danach sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies ist hier Deutschland. Nach dem Recht dieses Staates richtet sich auch die zu treffende Entscheidung.

2. a) Die - sofortige - Beschwerde der Kindesmutter ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Zwei-Wochen-Frist eingelegt worden ist:

Nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren nur innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung zulässig. Hatte sich in erster Instanz für einen Verfahrensbeteiligten (wie hier für die Kindesmutter) ein Verfahrensbevollmächtigter bestellt, so ist nur die Zustellung an ihn - nicht die Zustellung an den Beteiligten selbst - für den Beginn der Frist maßgebend (Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, FamFG, § 15 Rz. 10 m.w.N.). Die Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter ist hier am Donnerstag, den 24.3.2011, erfolgt, die zwei-wöchige Beschwerdefrist lief demnach am Donnerstag, den 7.4.2011, ab. Die Kindesmutter hat erst am 13.4.2011 (beim Familiengericht) sofortige Beschwerde eingelegt.

Zwar enthält die angefochtene Entscheidung die unrichtige Rechtsmittelbelehrung, dass das Rechtsmittel der "Beschwerde" innerhalb eines Monats ab Zustellung zulässig ist. Die Kindesmutter hätte aber nur dann - mit Erfolg - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen können, wenn der Belehrungsfehler für ihre Fristversäumung ursächlich gewesen wäre. Eine Wiedereinsetzung ist ausgeschlossen, falls der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung mehr bedarf. Dies ist - regelmäßig - anzunehmen, wenn er bei der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung anwaltlich vertreten gewesen ist (Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim, a.a.O., § 39 Rz. 60 unter Bezugnahme auf die BT-Drucks.). Letzteres war bei der in erster Instanz anwaltlich vertretenen Kindesmutter der Fall, die angefochtene Entscheidung wurde - wie ausgeführt - auch ihrem Verfahrensbevollmächtigten zugestellt.

Infolgedessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass d...

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