Leitsatz (amtlich)

Hat der Angeklagte mehrere Verteidiger, ist jeder von ihnen zu laden. Das gilt auch, wenn der Wahlanwalt an dem Termin, in dem ein Fortsetzungstermin bestimmt ist, nicht teilnimmt. Wird der Wahlanwalt nicht geladen, wird i.d.R. nicht ausgeschlossen werden können, dass das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht, weil die Hauptverhandlung in Anwesenheit des Wahlverteidigers zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis geführt hätte.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Entscheidung vom 16.10.2008)

AG Halle (Saale) (Entscheidung vom 04.07.2008)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 9. kleinen Strafkammer des Landgerichts Halle vom 16. Oktober 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Halle zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Schöffengericht des Amtsgerichts Halle (Saale) hat den Angeklagten am 4. Juli 2008 wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt und die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel angeordnet. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den Angeklagten unter Beibehaltung des Schuldspruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt und die Einziehung bestehen lassen. Die Berufung des Angeklagten ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt.

Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344 f. StPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, weil diese auf einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruht (§§ 337, 353 Abs. 1 und 2, 354 Abs. 2 StPO).

Das Landgericht hat § 218 S. 1 StPO verletzt, indem es den ordnungsgemäß bevollmächtigten Wahlverteidiger des Angeklagten J.F. aus Braunschweig nicht zu dem Fortsetzungstermin vom 7. Oktober 2008 geladen hat, obwohl auch im Fall mehrerer Verteidiger eines Angeklagten jeder von ihnen zu den Fortsetzungsterminen geladen werden muss (BGH StV 2001, 663 f). Darauf beruht das angefochtene Urteil, weil nicht auszuschließen ist, dass die Hauptverhandlung in Anwesenheit des Wahlverteidigers zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis geführt hätte.

Der Angeklagte hat weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten auf die Ladung seines Wahlverteidigers zu dem Hauptverhandlungstag vom 07. Oktober 2008 verzichtet. Es ist anerkannt, dass grundsätzlich weder in der rügelosen Einlassung noch im Unterlassen eines Aussetzungsantrages ein wirksamer Verzicht des Angeklagten auf die Anwesenheit seines gewählten Verteidigers gesehen werden kann (BGH NStZ 2006, 461 ff; BGHSt 36, 259 ff; BGH NStZ 2005, 114), denn ein solcher Verzicht setzt die Kenntnis des Angeklagten voraus, dass sein Verteidiger nicht geladen wurde und dass er deshalb die Aussetzung beantragen kann (BGH a.a.O.). Dem Angeklagten war schon nicht bekannt, dass sein Wahlverteidiger zu den Fortsetzungsterminen nicht geladen wurde. Die Fortsetzungstermine vom Dienstag, den 7. Oktober 2008 und Donnerstag, den 16. Oktober 2008 waren vom Kammervorsitzenden im Termin vom 16. September 2008, zu dem der Wahlverteidiger geladen worden aber nicht erschienen war, angeordnet worden. Der Kammervorsitzende wies dabei zwar darauf hin, dass eine schriftliche Ladung nicht mehr erfolge, dies galt aber ersichtlich nur für die anwesenden Prozessbeteiligten, weil nur diese von der mündlichen Terminsmitteilung Kenntnis nehmen konnten. Umstände, die auf einen grundsätzlich möglichen Verzicht des Wahlverteidigers selbst (BGH StV 2001, 663 f) schließen lassen, sind nicht erkennbar.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Wahlverteidiger des Angeklagten anderweitig sichere Kenntnis von dem Termin vom 7. Oktober 2008 erlangt hat. Er ist mit dem Pflichtverteidiger, der den Termin kannte, weder in einer Sozietät noch in einer Bürogemeinschaft verbunden. Aus der Verfügung des Kammervorsitzenden vom 22. September 2008 und dem Ausführungsvermerk hierzu lässt sich nicht entnehmen, dass der Wahlverteidiger von der Ladung der Zeugen zum 7. Oktober 2008 benachrichtigt wurde. Anders verhält es sich nur mit dem Termin vom 16. Oktober 2008, Von diesen Termin hat der Wahlverteidiger durch das Schreiben des Kammervorsitzenden vom 06. Oktober 2008 sichere Kenntnis erlangt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2581228

StV 2009, 686

StraFo 2009, 332

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