Leitsatz (amtlich)

1. Eine Verurteilung zur Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten (hier: im Rahmen des Ausscheidens eines Rechtsanwalts aus einer Sozietät) bedarf, um vollstreckungsfähig zu sein, der Konkretisierung des Anspruchs nach Grund und Höhe, von dem freigehalten werden soll.

2. Ergibt sich eine hinreichende Bestimmbarkeit der Darlehensforderungen im Vollstreckungstitel nur aus den Kontonummern, so bewirkt eine vom Gläubiger zwischenzeitlich vorgenommene Umschuldung, dass aus dem Titel nicht mehr vollstreckt werden kann. Die Forderungen, von denen der Gläubiger seine Freistellung verlangen kann, bestehen nicht mehr; die neu entstandenen Forderungen sind nicht Gegenstand des Titels. Ob es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung um dieselben Schulden handelt, ist im Rahmen des § 887 ZPO ohne Belang.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Beschluss vom 09.04.2003; Aktenzeichen 8 O 168/01)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer – Einzelrichterin – des LG Halle vom 9.4.2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Gläubiger.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 9.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers hat keinen Erfolg.

I. Die Forderungen, deren Freistellung der Kläger auf Grund des vorliegenden Titels verlangen könnte, bestehen nicht mehr und die Freistellung von einer anderen Forderung ist nicht Gegenstand des Titels.

Eine Verurteilung zur Freihaltung bedarf, um vollstreckungsfähig zu sein, der genauen Konkretisierung des Anspruches, von dem freigehalten werden soll, nach Grund und Höhe (st. Rspr., vgl. BGH v. 18.3.1980 – VI ZR 105/78, MDR 1980, 744 = NJW 1980, 1450; v. 4.12.1980 – IVa ZR 32/80, MDR 1981, 298 = NJW 1981, 870; OLG Düsseldorf v. 24.6.1982 – 18 U 39/82, MDR 1982, 942; OLG Hamburg v. 30.12.1999 – 11 U 153/97, OLGReport Hamburg 2000, 262; OLG Köln v. 3.8.2001 – 3 W 43/01, OLGReport Köln 2002, 20 m.w.N.; Lüke in MünchKomm/ZPO, § 253 Rz. 146). Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 9.4.2002 antragsgemäß nur die Kontonummern der Darlehensverträge in den Tenor aufgenommen, deren Freistellung der Kläger begehrt hat. Da sich weder aus dem Tenor noch aus dem Tatbestand oder den Entscheidungsgründen des zu vollstreckenden Urteils ein Betrag ergibt, konnte sich eine hinreichende Bestimmbarkeit der Darlehensforderungen nur über die exakten Kontonummern ergeben. Dieses einzige Kriterium, anhand dessen die Forderungen im Zwangsvollstreckungsverfahren allenfalls hätte identifiziert werden können, hat der Kläger jedoch durch eine von ihm vorgenommene Umschuldung zunichte gemacht.

Die Forderungen, deren Freistellung der Kläger auf Grund des von ihm erstrittenen Titels verlangen kann, bestehen nicht mehr. Die alten Darlehensverträge sind einvernehmlich beendet worden. Sie wurden ersetzt durch einen neuen Darlehensvertrag vom 29.11.201. In rechtlicher Hinsicht handelt es sich nicht um eine Fortsetzung der alten Darlehensverträge zu geänderten Konditionen, sondern um ein neues Vertragsverhältnis. Ob es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung um (überwiegend) dieselben Schulden handelt, ist im Rahmen des § 887 ZPO ohne Belang. Im Zwangsvollstreckungsverfahren darf es nicht darauf ankommen, ob eine neue Forderung mit der titulierten aber erloschenen Forderung „wirtschaftlich identisch” ist. Das Bestimmtheitserfordernis der Zwangsvollstreckung gebietet es, allein auf die rechtliche Identität der Forderung abzustellen, denn es kann nicht Aufgabe der Zwangsvollstreckung sein, den rechtlichen Verbleib wirtschaftlicher Werte zu ermitteln und im Zweifel eine andere Forderung an die Stelle der titulierten zu setzen. Dies liefe auf eine inhaltliche Änderung des Titels hinaus.

Dass die titulierten Forderungen nicht mehr bestehen, hat der Kläger selbst zu verantworten, denn er hat das Gericht über die Umschuldung nicht in Kenntnis gesetzt. Hätte er – spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2002 – die neue Kontonummer des schon am 29.11.2001 abgeschlossenen neuen Darlehensvertrages angegeben und seine Klage entspr. geändert, hätte die neue Forderung tituliert werden können.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und – insb. – des Nichtabhilfebeschlusses vom 13.6.2003 Bezug genommen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Bei der Bemessung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren gem. § 3 ZPO war zu berücksichtigen, dass das Interesse des Gläubigers an der Durchführung der Zwangsvollstreckung regelmäßig unter dem Wert der Hauptsache liegt (vgl. Zöller/Herget, 23. Aufl. 2002, § 3 Rz. 16, Stichpunkt „Zwangsvollstreckung”, m.N.).

Grimm

 

Fundstellen

Haufe-Index 1109011

OLGR-NBL 2003, 568

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