Leitsatz (amtlich)

Wegen des Ausnahmecharakters des § 93 ZPO obliegt dem Beklagten die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass er keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Im wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsrechtsstreit obliegt dem abgemahnten Schuldner die Beweislast für den Nichtzugang des Abmahnschreibens.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 30.08.2005; Aktenzeichen 12 O 76/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen das am 30.8.2005 verkündete Kostenschlussurteil der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des LG Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

 

Gründe

A. Die Kläger haben die Beklagte auf Unterlassung einer für wettbewerbswidrig erachteten Werbung in Anspruch genommen.

Die Kläger sind Gesellschafter einer in der Rechtsform der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts geführten Anwaltskanzlei mit Sitz in H. Die Beklagte ist Inhaberin der Rechtsanwaltskanzlei R. in H.

Am 18.7.2004 schaltete die Beklagte in der in H. vertriebenen Anzeigenzeitung "S." eine Annonce, in der neben ihr der Assessor B. F. unter Darstellung dessen Interessenschwerpunkten und dem Tätigkeitsschwerpunkt "Ordnungswidrigkeiten" aufgeführt war.

Da die Kläger diese Werbeanzeige wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 BRAO und § 8 BRAO für gesetzes- und standeswidrig und damit zugleich auch für wettbewerbswidrig erachteten, verfassten sie am 26.7.2004 ein an die Beklagte adressiertes Abmahnschreiben, in dem sie die Beklagte aufforderten, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Die am 24.11.2004 zugestellte Unterlassungsklage hat die Beklagte mit der am 15.12.2004 eingegangenen Klageerwiderungsschrift unter Verwahrung auf die Kostenlast vorbehaltlos anerkannt. Das LG hat daraufhin mit dem am 10.2.2005 verkündeten Anerkenntnis- und Teilurteil die Beklagte in der Hauptsache antragsgemäß auf Unterlassung verurteilt und die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Kläger sind der Meinung gewesen, die Beklagte können den Kostenvorteil der Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO nicht für sich in Anspruch nehmen, denn sie habe den Klägern durch ihr vorprozessuales Verhalten Veranlassung zur Klageerhebung geboten. Hierzu haben sie behauptet, sie hätten die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 26.7.2004 ordnungsgemäß abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie Erstattung der Abmahnkosten aufgefordert. Die Abmahnung sei noch am gleichen Tage gegen 14.33 Uhr der Beklagten unter deren Telefax-Nummer per Telefax übermittelt worden. Sie haben die Ansicht vertreten, dass das vorgelegte Faxprotokoll mit dem Sendevermerk einen Beweis des ersten Anscheins begründe, dass die Beklagte das Schreiben auch tatsächlich über ihr Telefaxgerät empfangen habe. Wäre das Faxgerät der Beklagten seinerzeit außer Funktion gewesen, so hätte der Sendebericht nämlich nicht ausgedruckt werden können. Die Möglichkeit eines Datenverlustes aufgrund eines etwaigen Bedienungsfehlers bei dem Wechseln des Farbbandes sowie eines Stromausfalles haben sie in Abrede gestellt. Sie haben des weiteren behauptet, dass das Schreiben anschließend in den Postausgang der Kanzlei gelangt und dort die Absendung in dem Postausgangsbuch vermerkt worden sei, eine Mitarbeiterin habe das Schreiben in einem Briefumschlag eingetütet und zum Zwecke der Übersendung durch Einwurf in das Gerichtsfach der Beklagten bei dem LG Halle in ein hierfür separat vorgehaltenes Ablagefach für die LGpost eingelegt. Die LGpost sei - so wie üblich - am Folgetag durch die hierfür zuständigen Mitarbeiterin der Kanzlei zum LG verbracht und in das Gerichtsfach eingelegt worden.

Die Kläger haben beantragt, die Beklagte in die Kosten des Verfahrens zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, den Klägern die Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen.

Sie hat den Zugang des Abmahnschreibens vom 26.7.2004 bestritten und insofern behauptet, dass sie weder per Telefax noch per Post ein Aufforderungsschreiben mit einer Unterlassungsverpflichtungserklärung erhalten habe. Für das Fehlschlagen der Telefaxübermittlung seien ganz unterschiedliche Fehlerquellen denkbar, wie beispielsweise ein Bedienungsfehler bei dem Einlegen eines neuen Farbbandes. Am 26.7.2004 sei in den Kanzleiräumen im Übrigen eine Stromunterbrechung bzw. ein Stromausfall aufgetreten, wie sich aus dem vorgelegten Stromunterbrechungsprotokoll ihres Faxgerätes ergebe. Aus dem Stromunterbrechungsbericht gehe hervor, dass die Daten im Sende- und Empfangsspeicher vollständig gelöscht worden seien. Auch über das Gerichtsfach habe sie das Abmahnschreiben in der hierfür fraglichen Zeit nicht empfangen. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Kläger von einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt abgesehen hätten. Das Vorbringen der Kläger hierzu sei überdies widersprüchlich, da diese zunächst behauptet hätten, das Schreiben sei per Post übersandt worden.

Das LG hat die prozessleitend geladene Zeugin S. Z. vernommen. Wegen des Ergebnisses der ers...

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