Leitsatz (amtlich)

Schließen die Beteiligten in einer Kindschaftssache (einstweiliges Anordnungsverfahren über Sorge-/Aufenthaltsbestimmungsrecht) einen Vergleich, mit dem sie sich nicht nur über das streitgegenständliche Recht, sondern darüber hinaus auch über eine andere, nicht anhängige Kindschaftssache (hier Umgang) einigen (sog. überschießender Vergleich), so steht dem bereits im Rahmen der für das Verfahren bewilligten Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt, wenn die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe auf den Vergleich für den überschießenden Teil erweitert wird, als aus der Staatskasse für den mitverglichenen Teil zu erstattende Vergütung zwar keine Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV zu, wohl aber die Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 RVG-VV und die Verfahrensdifferenzgebühr (reduzierte Verfahrensgebühr) nach Nr. 3101 Nr. 2 Abs. 1 RVG-VV jeweils zzgl. Umsatzsteuer.

 

Verfahrensgang

AG Wittenberg (Beschluss vom 05.12.2012; Aktenzeichen 4a F 290/12 EASO)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Wittenberg vom 5.12.2012, Aktenzeichen: 4a F 290/12 EASO, teilweise abgeändert und die dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin unter teilweiser Abänderung des amtsgerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 8.8.2012 zu zahlende Vergütung auf weitere 224,91 EUR (mithin insgesamt 790,87 EUR) festgesetzt.

Im Übrigen werden der weiter gehende Antrag und das weiter gehende Rechtsmittel zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung findet nicht statt.

 

Gründe

I. Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den aus dem Tenor ersichtlichen amtsgerichtlichen Beschluss ist zulässig und in der Sache teilweise begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig, sie ist insbesondere fristgerecht gem. § 56 Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG eingelegt worden und darüber hinaus wird auch der Beschwerdewert von über 200 EUR nach § 56 Abs. 2 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG überschritten.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache teilweise Erfolg.

Denn zu Unrecht hat das AG mit seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8.8.2012 die dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aus der Landeskasse im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe gemäß den §§ 45, 48 Abs. 1 RVG zu zahlende Vergütung auf lediglich 565,96 EUR festgesetzt. Wenngleich der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nicht - wie von ihm beantragt - die Erstattung von Gebühren i.H.v. insgesamt 913,68 EUR begehren kann, so kann er doch als beigeordneter Rechtsanwalt aus der Staatskasse weitere 224,91 EUR, also eine Gesamtvergütung von 790,87 EUR verlangen. Denn das AG hat einerseits zu Unrecht die an den Verfahrensbevollmächtigten zu zahlende Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 RVG-VV i.H.v. 84 EUR und die Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 RVG-VV für das von den beteiligten Kindeseltern im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahren zum Sorgerecht ebenfalls "mitverglichene", nicht anhängige Umgangsrecht i.H.v. berechtigten 105 EUR sowie die hierauf entfallende Umsatzsteuer nach Nr. 7008 RVG-VV nicht festgesetzt.

Andererseits hat es das AG aber zutreffend abgelehnt, dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die für das mitverglichene Umgangsrecht begehrte (weitere) Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV i.H.v. weiteren 126 EUR nebst hierauf entfallender Mehrwertsteuer nach einem Gegenstandswert von 1.500 EUR zu erstatten.

Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen:

Das AG hat bei dem Festsetzungsantrag des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zwar zu Recht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 RVG-VV im Rahmen der gewährten Verfahrenskostenhilfe für nicht erstattungsfähig erachtet, indes hat das AG dabei übersehen, dass dem Verfahrensbevollmächtigten bezüglich des im einstweiligen Anordnungsverfahren mitverglichenen Umgangsrechts, welches vorher nicht rechtshängig war, gleichwohl die ermäßigte und nach § 15 Abs. 3 RVG (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2001, 1388, OLG Hamm FamRZ 2008, 1876; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., § 15 RVG, Rz. 43, Stichwort: Sorgerecht, wonach Umgangs- und Sorgerecht Teile "derselben Angelegenheit" i.S.v. § 15 Abs. 2 und 3 RVG sind) beschränkte Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV/RVG nach einem Gegenstandswert von 1.500 EUR i.H.v. 84 EUR zusteht.

Im Termin vom 23.4.2012 haben sich die Parteien im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht nur hinsichtlich des zwischen ihnen streitigen Sorgerechts/Aufenthaltsbe-stimmungsrechts geeinigt, sondern auch - abweichend von einer bestehenden Regelung - den Umgang des Kindesvaters mit den beiden minderjährigen Kindern L. und B. K. geregelt.

Mit separatem Beschluss vom 12.6.2012 (Bl. 37 ff. d.A.) hat das AG sodann in Erweiterung des bestehenden Verfahrenskostenhilfebeschlusses vom 23.4.2012 bzw. 11.5.2012 beiden Parteien jeweils...

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