Leitsatz (amtlich)

1. Die Grundsätze einer fairen Prozessführung gebieten bei Anträgen zur Terminsverlegung ein sachgerechtes Umdisponieren des Gerichts.

2. Die formularmäßige Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen mit der Begründung, dass aufgrund der hohen Geschäftsbelastung Terminsverlegungen nur in ganz engen Ausnahmefällen möglich seien und die Verhinderung des Verteidigers grundsätzlich keine solche Ausnahme darstelle, stellt eine grundsätzliche Verkennung des Rechts des Betroffenen dar, sich von einem Anwalt seines Vertrauens vertreten zu lassen.

3. Zur Anberaumung von Terminen und dem Umgang mit Terminsverlegungsanträgen in Bußgeldsachen im Allgemeinen.

 

Verfahrensgang

AG Dessau-Roßlau (Entscheidung vom 09.08.2012; Aktenzeichen 13 OWi 358/12)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 9. August 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dessau-Roßlau zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom 27. September 2012 ausgeführt:

"Am 09.08.2012 erging gegen die der Hauptverhandlung ferngebliebene Betroffene das Urteil des Amtsgerichts Dessau-Roßlau - 13 OWi 358/12 (493 Js 11753/12) - (Bl. 64 ff. d. A.), durch welches der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt Magdeburg vom 28.03.2012, durch welchen gegen die Betroffene eine Geldbuße in Höhe von € 220,00 sowie ein Fahrverbot von 1 Monat festgesetzt wurde, verworfen worden ist.

Das Urteil ist auf Anordnung des Vorsitzenden vom 09.08.2012 mit Rechtsmittelbelehrung (Bl. 66. d. A.) dem Prozessbevollmächtigten der Betroffenen am 13.08.2012 (Bl. 80 d. A.) zugestellt worden.

Gegen dieses Urteil legte der Prozessbevollmächtigte der Betroffenen mit Schreiben vom 13.08.2012, eingegangen beim Amtsgericht Dessau-Roßlau am gleichen Tage, Rechtsbeschwerde ein (Bl. 68 d. A.). Die Rechtsbeschwerde wurde mittels einer durch einen Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift am 15.08.2012 fristgerecht begründet (Bl. 70 ff.).

Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben worden, weil sie noch hinreichend bestimmte Tatsachen, die im Einzelnen aufzuführen sind, weshalb das Amtsgericht das Ausbleiben nicht als unentschuldigt habe ansehen dürfen, vorträgt (vgl. Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 74 Rn. 48b).

Die Verfahrensrüge dürfte auch in der Sache selbst zumindest vorläufigen Erfolg haben.

Grundsätzlich haben zwar die Prozessbeteiligten keinen Anspruch auf bestimmte Terminzeiten bzw. auf Verlegung/Verschiebung eines ordnungsgemäß anberaumten Hauptverhandlungstermins (§ 228 Abs. 2 StPO). Ob das Gericht einem konkreten Terminwunsch bzw. einem Terminverlegungsantrag stattgibt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es muss aber dennoch neben dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung sowie sonstigen dienstlichen Erfordernissen auch die Interessen der Beteiligten beachten, wobei persönliche, etwa berufliche und/oder familiäre Belange des Betroffenen gegenüber der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung umso stärker zu berücksichtigen sind, je geringer die Bedeutung der anstehenden Bußgeldsache ist. Dies gilt auch hinsichtlich des Interesses der Betroffenen, in der Hauptverhandlung vom Anwalt ihres Vertrauens verteidigt zu werden.

Ausgehend von diesen Kriterien kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

Zum Termin am 09.08.2012, 11:30 Uhr, wurde die Betroffene am 20.07.2012, ihr Verteidiger am 21.07.2012 (Bl. 46, 47 R. d. A.) geladen. Mit Schriftsatz vom 23.07.2012, eingegangen am 02.08.2012 (Bl. 48 d. A.) beantragte der Verteidiger per Fax die Verlegung dieses Hauptverhandlungstermins wegen Terminkollision und trug zur Glaubhaftmachung die zeitgleiche Terminierung eines Hauptverhandlungstermins vor dem Amtsgericht Düsseldorf vor.

Mit Beschluss vom 03.08.2012 lehnte der Tatrichter die beantragte Terminverlegung im Wesentlichen mit der Begründung ab, "der Verfahrensbeschleunigung (komme) Vorrang zu, insbesondere weil ansonsten angesichts der Terminlage zeitnah kein neuer Termin anberaumt werden könne" (Bl. 50 d.A.). Hinzu komme, dass mit dem aus Frankfurt anreisenden Sachverständigen aus Kostengründen Sammeltermine anberaumt seien, so dass auch deshalb eine zeitnahe Verlegung nicht möglich sei.

Mit neuem Schriftsatz vom 08.08.2012, eingegangen bei AG Dessau-Roßlau am gleichen Tag, beantragte der Verteidiger erneut die Terminverlegung trug zur Glaubhaftmachung unter Vorlage eines Auszuges aus dem Terminierungskalender der Kanzlei erneut die Terminkollision mit dem bereits dargestellten Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Düsseldorf sowie einen am 02.08.2012 bestimmten Fortsetzungstermin ebenfalls vor dem Amtsgericht Düsseldorf vor (Bl. 53 ff. d.A.). Ferner stellte der Verteidiger nunmehr einen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 2 StPO, weil zu befürchten sei, dass sich seine Mandantin gegen die Erkenntnis...

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