Leitsatz (amtlich)

1. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Ladung des gerichtlichen Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren ist jedenfalls dann nicht statthaft, wenn das Hauptsacheverfahren bereits anhängig ist.

2. Dem Beteiligten am Beweisverfahren fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung der Ablehnung der Ladung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens, wenn das Beweisverfahren beendet und das Hauptsacheverfahren bereits anhängig ist.

3. Zur (hier bejahten) Rechtsmißbräuchlichkeit eines Antrags auf Ladung des gerichtlichen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Beschluss vom 26.07.2022; Aktenzeichen 3 OH 11/18)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 26. Juli 2022 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Wertstufe bis 80.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin ein selbständiges Beweisverfahren zur Beweissicherung geführt. Dem liegt zugrunde, dass der Antragsteller die Antragsgegnerin mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Einfamilienhauses in H. unter seiner o.a. Wohnanschrift beauftragt hat und nunmehr Mängel am Bauwerk geltend macht.

Das Landgericht hat durch Beweisbeschluss vom 21.02.2019 die Einholung eines schriftlichen Gutachtens über die aufgeworfenen Beweisfragen unter Hinzuziehung des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. E. aus H. angeordnet. Der gerichtliche Sachverständige hat zunächst ein Protokoll seiner Feststellungen vor Ort vom 02.09.2019 und eine Ergänzung dieses Protokolls vom 16.12.2019 (Protokoll Nr. 01) sowie ein Protokoll zur Vornahme von Bauteilaufschlüssen vom 21.06.2021 (Protokoll Nr. 02) erstellt. Sodann hat er am 04.11.2021 sein Gutachten erstattet.

Das Landgericht hat den Verfahrensbeteiligten gemäß § 411 Abs. 4 ZPO eine Frist von fünf Wochen ab Zustellung - für die Antragsgegnerin ab dem 15.11.2021 beginnend und bis zum 20.12.2021 laufend - zur Stellungnahme zum Gutachten gesetzt.

Die Antragsgegnerin hat mit einem am 09.02.2022 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom 03.01.2022 die Ladung des Sachverständigen zur Erörterung seines Gutachtens beantragt, ohne Ergänzungsfragen anzukündigen. Das Landgericht hat darauf hingewiesen, dass mangels Formulierung entsprechender Ergänzungsfragen von einer Ladung des Sachverständigen abgesehen werde. Mit Beschluss vom 25.01.2022 hat das Landgericht jedoch die schriftliche Beantwortung von ergänzenden Fragen des Antragstellers angeordnet. Daraufhin hat der gerichtliche Sachverständige ein 1. Ergänzungsgutachten vom 20.04.2022 schriftlich erstattet. Das Gericht hat den Verfahrensbeteiligten eine Frist zur Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten - ursprünglich mit einer Dauer von drei Wochen - gesetzt.

In ihrer Stellungnahme vom 01.07.2022 hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass sie das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen insgesamt für ungeeignet erachte, weil die Ausführungen auf erheblichen "handwerklichen Fehlern" beruhten und inhaltlich unzutreffend seien. Er hat beantragt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zur mündlichen Verhandlung zu laden.

Das Landgericht hat am 05.07.2022 darauf hingewiesen, dass es das selbständige Beweisverfahren für beendet betrachte. Im Beweisverfahren habe die Antragsgegnerin bislang trotz entsprechender Ankündigung keine Ergänzungsfragen formuliert. Der Antrag vom 01.07.2022 sei verfristet eingegangen. Inzwischen sei der Rechtsstreit in der Hauptsache rechtshängig. Die Antragsgegnerin hat an ihrem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen festgehalten.

Mit Beschluss vom 26.07.2022 hat das Landgericht den Antrag der Antragsgegnerin auf Ladung des gerichtlichen Sachverständigen abgewiesen. Es hat den Antrag als rechtsmissbräuchlich bewertet und diese Bewertung vor allem darauf gestützt, dass die Antragsgegnerin innerhalb von nahezu sechs Monaten nach entsprechender Ankündigung (am 03.01.2022) nicht einmal angegeben habe, in welcher Richtung sie durch Fragen eine weitere Aufklärung habe herbeiführen wollen.

Gegen diesen, ihr am 29.07.2022 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 12.08.2022. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit seinem Beschluss vom 17.08.2022 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

B. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist bereits unzulässig, obwohl sie form- und fristgerecht eingelegt worden ist. Sie hätte jedoch auch im Falle der Zulässigkeit in der Sache keinen Erfolg gehabt.

I. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Ladung des gerichtlichen Sachverständigen ist unzulässig. Sie ist bereits nicht statthaft, zudem hat die Ant...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge