Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsverfahren: Beschwer und Statthaftigkeit des (Fortsetzungs-) Feststellungsantrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ablehnungsfiktion des § 116 Abs. 2 GWB gilt nicht, wenn das Nachprüfungsverfahren vor Ablauf der Entscheidungsfrist des § 113 GWB nach der formalen Antragslage in ein Feststellungsverfahren übergegangen ist.

2. Voraussetzung für die Statthaftigkeit eines (Fortsetzungs-)Feststellungsantrages nach § 114 Abs. 2 S. 2 GWB ist die wirksame Erledigung des Nachprüfungsverfahrens. Als eine Erledigung i. S. dieser Vorschrift ist es nicht anzusehen, wenn ein Bieter, der im Nachprüfungsverfahren ursprünglich die Erteilung des Zuschlages auf sein Angebot begehrt hat, nach ihm von der Vergabekammer gewährter Akteneinsicht in die Unterlagen der Vergabestelle dieses Begehren wegen fehlender Erfolgsaussicht aufgibt.

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der Vergabekammer beim Regierungspräsidium Halle vom 5.6.2001, VK-Hal 34/00, wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 2) und zu 3) zu tragen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 20.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 2) schrieb im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) europaweit den oben genannten Auftrag zur Abfallentsorgung zur Vergabe aus. Nach dem Inhalt der Ausschreibung sollte der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden; als Ende der Bindefrist war der 31.12.2000 vorgesehen. Die Beteiligten zu 1) und zu 3) nahmen jeweils als Bieter an dieser Ausschreibung teil.

Mit Schreiben vom 20.10.2000 informierte der Beteiligte zu 2) den Beteiligten zu 1) darüber, dass der Kreistag beschlossen habe, den Zuschlag auf das Angebot der Beteiligten zu 3) zu erteilen; dieses sei „das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot”. Die Beteiligte zu 1) forderte den Beteiligten zu 2) darauf hin auf, bis zum 27.10.2000 schriftlich nachvollziehbar im Einzelnen die Gründe darzulegen, die zur Bewertung des Angebots der Beteiligten zu 3) als das wirtschaftlichste Angebot geführt hätten, und zu bestätigen, dass der Zuschlag jedenfalls nicht vor dem 31.10.2000 erteilt werde. In seinem fristgerechten Antwortschreiben verwies der Beteiligte zu 2) auf einzelne Ausführungen in den Verdingungsunterlagen, aus denen u.a. die Auswertungskriterien zu entnehmen sind, und teilte mit, dass das Angebot der Beteiligten zu 1) in der vierten Wertungsstufe ausgeschieden worden sei; insbesondere auch deshalb, weil bei gültigen Nebenangeboten entsprechend der bekannt gemachten Wertungskriterien keine Folgekosten oder besondere Vorteile, sondern allein die Angebotspreise berücksichtigt worden seien.

Mit Schreiben vom 27.10.2000 hat die Beteiligte zu 1) die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer beim Regierungspräsidium Halle beantragt. Sie hatte zunächst begehrt, den Beteiligten zu 2) zu verpflichten, den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen, weil sie der Meinung gewesen war, dass ihr Angebot das wirtschaftlichste Angebot sei. Es sei äußerst günstig kalkuliert; ein preislich noch günstigeres Angebot könne nur unauskömmlich sein. Abschließend hatte die Beteiligte zu 1) unter Berufung auf § 111 Abs. 1 GWB um die Übersendung von Abschriften aus den Akten der Vergabestelle ersucht. Der Beteiligte zu 2) war dem Akteneinsichtsgesuch der Beteiligten zu 1) teilweise entgegen getreten; die Vergabekammer hat der Beteiligten zu 1) mit Beschluss vom 17.11.2000 Akteneinsicht mit Ausnahme der Abgebote der Mitbewerber durch Übermittlung der beantragten Ablichtungen gewährt.

Nach Auswertung der ihr zur Einsicht überlassenen Unterlagen des Beteiligten zu 2) mit der Schlussfolgerung, dass das Angebot der Beteiligten zu 3) tatsächlich das wirtschaftlichste sei und das eigene Angebot aufgrund eigener Übertragungsfehler bei der Ausfüllung der Angebotsunterlagen als erheblich teurer erscheine, hat die Beteiligte zu 1) ihr ursprüngliches Begehren aufgegeben und statt dessen beantragt, festzustellen, dass der Beteiligte zu 2) mit den Schreiben vom 20. und 26.10.2000 seine Informationspflicht nach § 27a VOL/A nicht erfüllt habe, und diesem die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen. Die Beteiligte zu 1) hat die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren eine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens in sonstiger Weise eingetreten sei. Dem nachfolgenden Antrag des Beteiligten zu 2) auf Gestattung des vorzeitigen Zuschlages hat die Beteiligte zu 1) zugestimmt, worauf die Vergabekammer mit Schreiben vom 18.12.2000 das Zuschlagverbot aufgehoben hat.

Der Vorsitzende der Vergabekammer hat mit Verfügung vom 16.11.2000 die Entscheidungsfrist des § 113 Abs. 1 S. 1 GWB bis zum 29.12.2000 verlängert; eine weitere Verlängerung erfolgte nicht. Mit Schriftsatz vom 9.1.2001, der Beteiligten zu 1)...

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