Entscheidungsstichwort (Thema)

Rettungsdienstleistungen V

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anordnung der Verlängerung des prozessualen Zuschlagsverbots kommt ausnahmsweise auch bei geringen Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde in Betracht, wenn die Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen, auch des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens, gleichwohl zugunsten der Antragstellerin ausfällt.

2. Dies kann der Fall sein, wenn die Vergabestelle den öffentlichen Auftrag bereits erteilt und die Auftragsausführung bereits begonnen hat und wenn der Antragsteller lediglich die Untersagung eines weiteren (bestätigenden) Vertragsschlusses verhindern möchte.

 

Verfahrensgang

1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Beschluss vom 09.06.2009; Aktenzeichen 1 VK LVwA 13/09, 1 VK LVwA 21/09)

 

Tenor

Auf Antrag der Antragstellerin wird die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 9.6.2009 bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens mit der Maßgabe angeordnet, dass dem Antragsgegner untersagt wird, über die streitgegenständlichen Leistungen einen (bestätigenden) Vertrag abzuschließen.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner, eine kommunale Gebietskörperschaft und Aufgabenträger für den Rettungsdienst in seinem Hoheitsbereich, schrieb im Mai 2008 den oben genannten Dienstleistungsauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2006 - zur Vergabe aus. Der Auftrag war in zwei Gebietslose unterteilt. Die Vertragslaufzeit soll sechs Jahre - vom 1.7.2009 bis zum 30.6.2015 - andauern. Der Auftragswert übersteigt 206.000 EUR erheblich.

Nach dem Inhalt der Vergabebekanntmachung sollten die Verdingungsunterlagen bis zum 30.6.2008 abgefordert werden. Die Angebotsfrist lief bis zum 17.7.2008.

Die Antragstellerin forderte die Verdingungsunterlagen am 12.6.2008 vom Antragsgegner an. Mit Fax vom 10.7.2008 teilte sie dem Antragsgegner mit, dass sie Angebote für beide Lose abgeben wolle. Eine Angebotsabgabe sei ihr jedoch derzeit nicht möglich, weil die Ausschreibungsunterlagen grobe, vergaberechtlich zu beanstandende Fehler aufwiesen. Diese benannte sie im Einzelnen. Am 15.7.2008 ging der Antragstellerin die Antwort des Antragsgegners zu, der sich zum Einen formal auf die Nichteinhaltung der Rügefrist nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB berief, zum Anderen wies er die Beanstandungen auch inhaltlich zurück. Die Antragstellerin ergänzte ihre Rügen.

Am 16.7.2008 reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein. Nach Hinweis auf die damalige Rechtsauffassung der Vergabekammer, dass ein Zugang zu einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren für diesen Auftrag nicht eröffnet sei, nahm sie ihren Nachprüfungsantrag am 23.7.2008 zurück. Die Akten des Nachprüfungsverfahrens unter dem Geschäftszeichen 1 VK LVwA 10/08 sind beigezogen und werden hiermit zum Gegenstand des vorliegenden Vergabeverfahrens gemacht.

Sodann beschritt die Antragstellerin den Verwaltungsrechtsweg. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des VG Halle vom 10.9.2008, Geschäftszeichen 3 B 231/08 HAL (vgl. Anlage A 8, Beiakte 1 VK LVwA 13/09 - künftig: BeiA I - Bd. I Bl. 55 ff.), und des OVG Sachsen-Anhalt vom 2.2.2009, Geschäftszeichen 3 M 555/08 (vgl. Anlage A 10, BeiA I Bd. I Bl. 68 ff.), Bezug genommen.

Am 3.9.2008, d.h. nach Ablauf der Angebotsfrist, hatte die Antragstellerin ein Angebot für Los 1 beim Antragsgegner eingereicht. Sie hatte den Antragsgegner wiederholt, zuletzt am 4.2.2009, aufgefordert, eine vergaberechtskonforme Ausschreibung des Auftrags vorzunehmen. Auf entsprechendes Ersuchen des Antragsgegners sagte sie ein Stillhalten bis zum 15.2.2009 zu.

Mit einem Schreiben unter dem 12.2.2009, welches ausweislich einer handschriftlichen und mit Namenszeichen versehenen Anmerkung am 3.3.2009 abgesandt worden sein soll, erteilte der Antragsgegner den Auftrag für beide Lose an die Beigeladene. Das Auftragsschreiben ging bei der Beigeladenen am 4.3.2009 ein. Auf telefonische Anfrage beim Antragsgegner erfuhr die Antragstellerin von der bereits erfolgten Zuschlagserteilung. Sie rügte die Zuschlagserteilung sowie die Unterlassung ihrer eigenen Vorabinformation über die beabsichtigte Zuschlagserteilung mit Fax-Schreiben vom 12.3.2009.

Zugleich erhob die Antragstellerin Klage gegen den Genehmigungsbescheid nach § 11 RettDG LSA beim VG Halle, dort rechtshängig unter Geschäftszeichen 3 A 157/09 HAL.

Mangels Abhilfe durch den Antragsgegner hat die Antragstellerin am 19.3.2009 Nachprüfungsanträge bezüglich der Vergabe beider Lose der Ausschreibung bei der Vergabekammer eingereicht. Der Schriftsatz ist dem Antragsgegner am selben Tage von der Vergabekammer per Fax übersandt worden. Die Vergabekammer hat beide Nachprüfungsverfahren verbunden, eine Beiladung der Vertragspartnerin des Antragsgegners vorgenommen und sowohl der Antragstellerin als ...

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