Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorangehende Einschaltung der Schiedsstelle; GEMA: unzumutbarer Gesamtvertrag (Internet-Musikabrufdienste)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Prozessvoraussetzung eines vorangegangenen Verfahrens vor der Schiedsstelle (§ 16 Abs. 1 UrhWG) ist auch dann erfüllt, wenn die Schiedsstelle den Antrag auf Erlass eines Einigungsvorschlags zum Abschluss eines Gesamtvertrages zurückgewiesen hat, weil der Verwertungsgesellschaft der Abschluss nicht zumutbar sei. Gegen diese Entscheidung der Schiedsstelle ist die sofortige Beschwerde gem. § 567 ZPO nicht statthaft.

2. Für die Verwertungsgesellschaft ist der Abschluss eines Gesamtvertrages über die Musiknutzung durch Internet-Musikabrufdienste nicht zumutbar, wenn der den Abschluss begehrende Verband nur 13 Mitglieder repräsentiert, die solche Dienste anbieten, selbst wenn sie den Markt zu ca. 90 % abdecken.

3. Auf die Zahl der von dem Verband ebenfalls vertretenen ca. 370 Tonträgerhersteller kann nicht abgestellt werden, weil die im Zugänglichmachen des Werkes für den interaktiven Abruf liegende Verwertungshandlung nicht durch sie erfolgt. Die Vorbereitungshandlung in Form der Anfertigung von abruffähigen Dateien durch die Tonträgerhersteller genügt nicht.

4. Aus dem Umstand, dass in den streitgegenständlichen Tarifen das Recht mit abgedeckt ist, Werke des GEMA-Repertoires aufzunehmen und für die Nutzung technisch aufzubereiten, folgt kein Anspruch der Tonträgerhersteller auf einen Lizenzerwerb für den gesamten Auswertungsvorgang.

 

Normenkette

UrhWG §§ 12, 14, 16

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.10.2010; Aktenzeichen I ZR 11/08)

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

V. Streitwert: 1.000.000 EUR.

 

Tatbestand

Dem Kläger als deutscher L. des I.T. gehören u.a. Musik-Abrufdienste an, die Musikstücke zum Download im Internet anbieten. Er verlangt von der beklagten G. den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung der Download-Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3.

Der Klage ist ein Verfahren vor der Schiedsstelle für Urheberrechtsstreitsachen beim DPMA vorausgegangen. Mit Beschluss vom 20.2.2006 (Anlage K 2) ist der Antrag auf Erlass eines Einigungsvorschlags zum Abschluss eines Gesamtvertrages zurückgewiesen worden, weil der Beklagten der Abschluss eines Gesamtvertrages nicht zuzumuten sei. Die Beklagte brauche keinen Gesamtvertrag abzuschließen, wenn dadurch mit einer spürbaren Erleichterung des Inkassos und der Kontrolle nicht zu rechnen sei. Der Gesamtvertrag beträfe nämlich nur 8 Mitgliedsfirmen des Klägers, die selbst Dienstleistungen als "Content-Provider" anböten und zudem allenfalls 5 % des Gesamtmarkes für den Download von Musikdateien aus dem Internet repräsentierten.

Die Beklagte nimmt als Verwertungsgesellschaft i.S.v. § 1 UrhWG die Verwertungsrechte der Musikurheber (Komponisten und Textdichter) wahr. Der Kläger ist der nach repräsentiertem Umsatz größte deutsche Verband der Tonträgerhersteller, er vertritt rund 370 Unternehmen, die in Deutschland mit der Produktion, der Vervielfältigung, öffentlichen Zugänglichmachung und Verbreitung von Musikaufnahmen beschäftigt sind und in dieser Funktion die Rechte gem. § 85 UrhG inne haben. Die Verbandsmitglieder repräsentieren insgesamt ca. 90 % des gesamten inländischen Tonträgermarktes. Dem Kläger gehören ferner zumindest folgende Musikabrufdienste an: Sony BMG, iTunes, Musicload, Afendis, Superstition Recordings, Palm Records, JPC, Napster Luxemburg, Major MTM, Böhringer, Nuclaer Blast und Hänssler; die Einzelheiten ergeben sich aus Seite 18 des Schriftsatzes vom 29.6.2007 (= Bl. 131 d.A.).

Der deutsche Markt der Abrufdienste wird von den drei Portalen Musicload, iTunes und AOL dominiert, die einen Marktanteil von ca. 90 % abdecken. Im Verband BITKOM sind ebenfalls solche Diensteanbieter organisiert, u.a. Musicload.

Bei Musikabrufdiensten können Musikkunden rund um die Uhr aus einem umfangreichen Katalog Musik gegen Bezahlung zum Download auf die Festplatte des heimischen Computers bestellen. Das bloße Anhören konkreter Musikstücke auf Abruf ("Streaming on Demand") gegen Bezahlung spielt auf dem deutschen Markt praktisch kaum eine Rolle. Es stehen jedoch vor allem im Bereich der Tonträgerpromotion kostenlose Streaming-Angebote zur Verfügung. Daneben hat sich als zweites Geschäftsfeld für die Streaming-Technologie das Internetradio als sog. "Simulcasting" und als "Webcasting" entwickelt.

Die Beklagte stellte erstmals im Oktober 2002 zwei die Musiknutzung in Musikabrufdiensten betreffende Tarife auf, und zwar den Tarif VR-OD 2 für Abrufangebote zum Herunterladen auf die heimische Festplatte oder andere Speichermedien, sowie den Tarif VR-OD 3 für den individuellen Abruf einzelner Musikstücke per "Streaming on Demand". Zwischenzeitlich wurden die Tarife geändert, die bisher letzten Fassungen datieren vom 21.12.2005 (Anlagen K 10, ...

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