Verfahrensgang

AG Günzburg (Urteil vom 13.08.2003; Aktenzeichen 1 F 51/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 25.10.2006; Aktenzeichen XII ZR 144/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des AG Günzburg vom 13.8.2003 in Nr. 3 aufgehoben.

II. Der Antragsgegner wird verurteilt, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Jahr 2003 durch Vorlage einer systematischen Aufstellung zu erteilen.

III. Im Übrigen wird die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das AG Günzburg zurückverwiesen.

IV. Die Revision zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Folgesache nachehelicher Unterhalt. Die Antragstellerin begehrt im Wege der Stufenklage Krankheitsunterhalt.

Die am 25.7.2000 geschlossene kinderlose Ehe der deutschen Antragstellerin und des polnischen Antragsgegners wurde mit Endurteil des AG Günzburg vom 13.8.2003 auf den am 7.5.2003 zugestellten Antrag hin geschieden. Die Antragstellerin erlitt am 23.7.2002 eine Gehirnblutung mit Störung des Sprachzentrums. Sie kann eigene Angelegenheiten nicht mehr ohne fremde Hilfe wahrnehmen, ist erwerbsunfähig, steht unter Betreuung und lebt von Sozialhilfe.

Der Antragsteller war im Mai 2000 von Polen nach Deutschland eingereist und hatte die 15 Jahre ältere Antragstellerin am 20.6.2000 kennengelernt.

Beide Parteien schlossen am 21.7.2000 einen Ehevertrag mit folgenden Vereinbarungen: Sie wählten das Recht der Bundesrepublik Deutschland, vereinbarten Gütertrennung, Unterhaltsverzicht in allen Lebenslagen, auch in außergewöhnlichen und in Fällen der Not, und verzichteten auf Versorgungsausgleich. Zur Zeit des Abschlusses des Vertrags besaß der Antragsgegner keine Aufenthaltserlaubnis und keine Arbeitserlaubnis. Die Antragstellerin ging ebenfalls einer Erwerbstätigkeit nicht nach; sie war wegen einer Krankheit, an der sie seit der Geburt litt, erheblich erwerbsgemindert.

Die Antragstellerin hat im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ab Januar 2003 durch Vorlage einer systematischen Aufstellung begehrt, um nach Auskunftserteilung in der letzten Stufe Leistung zu erlangen.

Das AG Günzburg hat im Verbundurteil vom 13.8.2003 unter Nr. 3 die Stufenklage auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen und dies damit begründet, dass der nacheheliche Unterhalt wirksam ehevertraglich ausgeschlossen worden sei. Der Vortrag sei nicht sittenwidrig, da die Antragstellerin nicht erkennbar der Sozialhilfe anheimgefallen sei. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, die ihre Stufenklage weiterhin verfolgt und in der 1. Stufe Auskunft verlangt.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Der Senat hat die Parteien und die Betreuerin der Antragstellerin angehört. Insoweit wird auf das Protokoll vom 30.3.2004 Bezug genommen (Bl. 104-111 d.A.). Hinsichtlich des Inhalts des Ehevertrages wird auf Bl. 79-85 d.A., wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags wird auf das Ersturteil und die Schriftsätze der Verfahrensbevollmächtigten verwiesen.

II. Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist begründet.

1. Es gilt deutsches Recht, da für die Ehescheidung ebenfalls deutsches Recht maßgebend war (Art. 17 Abs. 4 S. 1 EGBGB). Im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (7.5.2003) war deutsches Recht für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend (Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Diese richten sich nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB). Der gewöhnliche Aufenthalt beider Parteien war in Deutschland, weshalb deutsches Recht Anwendung findet.

2. Der Antragstellerin kann bei Leistungsfähigkeit des Antragsgegners ein Anspruch auf Krankheitsunterhalt gem. § 1572 Nr. 1 BGB zustehen, da von ihr im Zeitpunkt der Scheidung wegen Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.

3. Dem Anspruch steht der notarielle Ehevertrag vom 21.7.2000 nicht entgegen, da dieser Vertrag sittenwidrig ist (§ 138 BGB).

Die Vertragsfreiheit endet dort, wo die Rechte Dritter entgegenstehen. So muss der objektive Gehalt des Vertrags mit den guten Sitten in Einklang stehen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn durch einen Unterhaltsverzicht eines nach der Scheidung unterhaltsberechtigten Ehegatten die Unterstützung durch den Träger der Sozialhilfe bewusst herbeigeführt wird. Hierbei ist zu beachten, dass die Sozialhilfe grundsätzlich subsidiär ist und Nachrang ggü. allen privaten Unterhaltsquellen genießt. Derjenige, der imstande ist, sich aus eigener Kraft zu helfen, muss mit seinem Wunsch nach staatlicher Hilfe zurücktreten. Für das private Unterhaltsrecht ergibt sich hieraus die Verpflichtung, dass ein Unterhaltsbedürftiger grundsätzlich, soweit nach den Umständen zumutbar, zunächst die ihm zur Verfügung stehenden privaten Erwerbsquellen und Unterhaltsmöglichkeiten - auch durch Geltendmachung der ihm gesetzlich zustehenden Unterhaltsansprüche -...

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