Leitsatz (amtlich)

Stellt sich nach der Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften mit Kapitalerhöhung (§ 69 UmwG) heraus, dass der Wert der übertragenden Gesellschaft hinter dem geringsten Ausgabebetrag der dafür ausgegebenen Aktien der übernehmenden Gesellschaft zurückgeblieben war, sind die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft nicht verpflichtet, die Wertdifferenz in bar einzuzahlen. Für eine entsprechende Anwendung der §§ 56 Abs. 2,9 Abs. 1 GmbHG auf diesen Fall ist kein Raum.

 

Normenkette

UmwG § 69; GmbHG § 9 Abs. 1, § 56 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen 1 HKO 300/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.03.2007; Aktenzeichen II ZR 302/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München II vom 1.12.2004 aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Aktiengesellschaft, die mit Vertrag vom 8.6.2000 (K3) im Wege der Verschmelzung mit Kapitalerhöhung eine weitere Aktiengesellschaft übernommen hatte. Die Beklagte war bis dahin mit 476.800 Inhaberstückaktien im Wert von je 1 EUR an der übertragenden Gesellschaft beteiligt gewesen. Mit Wirksamwerden der Übertragung erhielten die Aktionäre der übertragenden Aktiengesellschaft im Verhältnis 1: 1 kostenfrei entsprechende Inhaberstückaktien der Schuldnerin im Wert von je 1 EUR, die Beklagte mithin 476.800 Aktien.

Die Schuldnerin war vor der Verschmelzung ein operativ nicht tätiger Firmenmantel mit einem Stammkapital von 50.000 EUR. In der Folgezeit stellte sich heraus, dass die übertragende Aktiengesellschaft entgegen der bei der Verschmelzung zugrunde gelegten Bewertung wertlos war.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung i.H.v. 476.800 EUR nebst Zinsen 5 % über dem Basiszinssatz hinaus seit 21.9.2003 in Anspruch genommen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Beklagte in entsprechender Anwendung der §§ 56, 9 GmbHG die Wertdifferenz zwischen der überbewerteten Sacheinlage und dem geringsten Ausgabebetrag der Aktien in bar zu leisten habe. Im Übrigen müsse sich die Beklagte anrechnen lassen, dass ihr Geschäftsführer D. bereits bei der Verschmelzung gewusst habe, dass die übertragende Gesellschaft keinen Wert gehabt habe.

Das LG hat mit seinem am 1.12.2004 ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe verkündeten Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben. In vollständiger Form ist dieses Urteil den Parteien am 4.5.2005 zugestellt worden. In den Akten befindet sich dazu eine auf den 2.5.2005 datierte Verfügung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen und ein Geschäftsstellenvermerk, dass diese Verfügung am 3.5.2005 vorgefunden worden sei (Bl. 125 d.A.).

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Sie rügt, das Urteil des LG sei verfahrensfehlerhaft, da es verspätet begründet worden sei.

In der Sache hält sie eine Haftung der Beklagten nicht für gegeben. Das UmwG sehe eine derartige Differenzhaftung nicht vor. Insoweit bestehe auch keine Regelungslücke. Die gegebene Interessenlage sei auch nicht mit Sacheinlagen der Gesellschafter einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft vergleichbar. Die Beklagte als Aktionärin der übertragenden Gesellschaft habe selbst keine Einlageverpflichtung ggü. der Schuldnerin übernommen. Eine für sie nicht kalkulierbare Haftung sei auch unzumutbar und würde auch zu einer Ungleichbehandlung führen, da für den umgekehrten Fall der Überbewertung des übernehmenden Unternehmens eine Zahlungsverpflichtung ihrer Aktionäre von niemandem in Betracht gezogen werde.

Der Kläger verteidigt das Urteil des LG und verweist auf die Gefährdung der Interessen potentieller Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft. Die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft hätten jedenfalls mehr Einblick in deren wirtschaftliche Lage als solche Gläubiger. Ihre Haftung würde dadurch gerechtfertigt, dass sie Anteile der übernehmenden Gesellschaft erhalten haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die übergebenen Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage als unbegründet.

1. Inwieweit in der späten Abfassung von Tatbestand und Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ein Verfahrensfehler zu sehen ist, bedarf keiner näheren Behandlung. Der Senat hat selbst in der Sache zu entscheiden, da die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung gem. § 538 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

2. Der vom Kläger geltende gemachte Zahlungsanspruch ist nicht begründet.

a) Darauf, ob der Geschäftsführer der Beklagten D. ...

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