Leitsatz (amtlich)

Der Nutzer eines Internetmusikdienstes, der durch Setzen eines Titels in eine Wunschliste einen automatisierten Prozess in Gang setzt, bei dem zunächst durch Überwachen von zahlreichen Webradios eine Kopiervorlage ermittelt und sodann eine Kopie des Wunschtitels erstellt wird, ist nicht als Hersteller der Kopie gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG anzusehen.

 

Normenkette

UrhG § 15 Abs. 1 Nr. 1, §§ 16, 53 Abs. 1, §§ 85, 97

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 7 O 9061/17)

 

Tenor

I. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21.09.2017 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Wort "Geschäftsführer" in Ziffer I. des Tenors durch "Vorstand" ersetzt wird.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner 6/60 zu tragen. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 1) 35/60 und der Beklagte zu 2) 19/60 der Kosten zu tragen.

III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung aus Ziffer I. des Tenors des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 26.667,00 EUR und der Beklagte zu 2) durch Sicherheitsleitung in Höhe von 13.334,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich Ziffer II. des landgerichtlichen Tenors können beide Beklagte jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die Beklagten jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Unterlassungs-, Auskunfts-, Schadensersatzfeststellungs- und Kostenerstattungsansprüche wegen der Vervielfältigung der Titel des Albums "Immer noch Mensch" des Künstlers Tim Bendzko im Rahmen des Musikdienstes musicmonster.fm geltend.

Die Klägerin ist ein internationaler Musikkonzern. Ihr stehen die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Tonaufnahmen des Künstlers Tim Bendzko zu, die auf dem Musikalbum mit dem Titel "Immer noch Mensch" enthalten sind.

Die Beklagte zu 1) betreibt unter www.musicmonster.fm einen Internetdienst, bei dem registrierte Kunden Musikwünsche hinterlegen können. Der Beklagte zu 2) ist seit 2009 Vorstand der Beklagten zu 1).

Die Beklagte zu 1), vertreten durch den Beklagten zu 2), hat am 26.07.2010 mit der Z., die nunmehr als E. firmiert, einen Kooperationsvertrag geschlossen. Hinsichtlich dessen Inhalts wird auf Anlage BB1 Bezug genommen.

Laut dem Internetauftritt der Beklagten zu 1) ist die Nutzung ihres Dienstes bis zu 14 Tage kostenlos möglich. Volumenunabhängige Nutzungstarife sind ab 7,90 EUR pro Monat verfügbar.

Am 25.04.2017 hat D. K. ein Nutzerkonto bei der Beklagten zu 1) erstellt und die elf Musiktitel des Musikalbums "Immer noch Mensch" des Künstlers Tim Bendzko ausgewählt. Er hat dabei eine sich am Inhalt des Albums anlehnende Auswahlliste verwendet. Am 28.04.2017 standen alle ausgewählten Titel zum Download zur Verfügung. Alle Aufnahmen waren vollständig und wiesen keine Unterbrechungen durch Moderation, Werbung, Nachrichten oder ähnliches auf. Sie haben eine Qualität von 192 kBit/s.

Die Klägerin hat die Beklagten mit Schreiben vom 28.04.2017 (Anlage K 6) wegen unerlaubter Vervielfältigung der Musikaufnahmen, die auf dem Album "Immer noch Mensch" enthalten sind, abgemahnt und hierfür Kosten in Höhe von 1.531,90 EUR geltend gemacht.

Die Beklagte zu 1) stellt ihren Dienst auf ihrer Webseite wie folgt dar:

((Abbildung))

Zur technischen Funktionsweise ihres Dienstes tragen die Beklagten vor, Musiktitel, die von ihren Kunden in deren Wunschliste eingetragen werden, würden anschließend mittels einer vollautomatisiert ablaufenden Software in den Sendungen von etwa 400 Internetradios gesucht und, soweit sie gefunden werden, mitgeschnitten und auf einem cloud-basierten individuellen Speicherplatz des Kunden abgelegt, wo dieser auf die erstellte Vervielfältigung zugreifen und diese auf seinen Computer herunterladen könne. Die von der Firma Z. bereitgestellte Suchmaschinentechnik "lausche" ständig an zahlreichen Radio-Streams. Es handele sich um eine leistungsfähige Suchtechnik, um die Musikwünsche der Nutzer in den überwachten Webradios zu ermitteln. Werde ein Titel erkannt, so werde ein Link an die Aufnahmesoftware der Fa. S. übermittelt. Dem Nutzer werde von der Firma S. jeweils ein Speicherbereich auf einem Onlinespeicher und eine darin installierte Aufnahmesoftware ohne weitere Kosten zur Verfügung gestellt.

Die Klägerin begehrt eine Entscheidung auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens zur technischen Funktionsweise des Dienstes.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich die Beklagte zu 1) nicht darauf berufen könne, da...

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