Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrages aus wichtigem Grund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein wichtiger Grund für die Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen, insbesondere aufgrund grober Pflichtverletzungen des Geschäftsführers. Verschulden ist hierfür nicht erforderlich. Maßstab ist nicht das subjektive Empfinden des kündigenden Teils, sondern ob objektiv aus Sicht eines verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der weiteren Zusammenarbeit die Grundlage entzogen ist.

2. Die Beweislast für die Tatsachen, die den wichtigen Grund darstellen, trägt derjenige, der gekündigt hat und sich auf die Wirksamkeit der Kündigung beruft

 

Normenkette

BGB §§ 249, 280 Abs. 1, §§ 615, 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 01.07.2016; Aktenzeichen 3 HK O 3107/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 01.07.2016, Az. 3 HK O 3107/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das in Ziff. 1 genannte Urteil des LG München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesen Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags des Klägers mit der Beklagten.

Die Beklagte ist ein Verlagsunternehmen mit über 100 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 30 Millionen Euro. Mitgeschäftsführer ist seit 2003 Herr C. S., der zudem über eine Beteiligungsgesellschaft am Stammkapital der Beklagten mit 95 % beteiligt ist.

Die Parteien schlossen am 21.10.2010 einen Geschäftsführerdienstvertrag (Anlage K 1), der nach § 13 Nr. 1 nach dem 31.12.2013 mit einer Frist von 12 Monaten zum Monatsende ordentlich kündbar ist.

In einem Verlagshandbuch der Beklagten und einem Handbuch für Führungskräfte der Beklagten (auszugsweise vorgelegt als Anlage B 1) sind u.a. folgende Handlungsgrundsätze für Mitarbeiter der Beklagten enthalten:

"Bitte beachten Sie: Vorauszahlungen sind nicht möglich! Zahlungen sind immer erst NACH erbrachter Leistung möglich. Bei längeren Projekten ist eine acto-Zahlung nur dann möglich, wenn Teilleistungen bereits abgeschlossen wurden (d.h. die Leistung wurde erbracht, abgenommen und mangelfrei übergeben)... Der Geschäftsführer berichtet an den Gesellschafter C. S. oder eine von diesem bestimmte Person".

Anfang September 2013 wurde ein Auftrag zur Neugestaltung des Online-Shops der Beklagten an die t. GmbH vergeben. Dieser Vertrag sah mit Zustimmung des Mitgeschäftsführers S. eine Anzahlung in Höhe von 30 %, eine zweite Rate in Höhe von 30 % nach Abnahme des Screendesigns und eine dritte Rate in Höhe von 40 % vor. Die Anzahlung in Höhe von 9.895,31 Euro wurde im Herbst 2013 an die t. GmbH überwiesen.

Am 17.12.2013 stellte die t. GmbH die zweite Rate in Höhe von 9.895,31 Euro in Rechnung. Zu diesem Zeitpunkt war das Screendesign noch nicht abgenommen. Da die Rechnung nicht bezahlt wurde, erinnerte die t. GmbH mit Schreiben vom 14.03.2014, bei der Beklagten eingegangen am 17.03.2014, an die Bezahlung (Anlage B 3). Mangels vollständiger Leistungserbringung durch die Agentur war auch zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzung für eine Bezahlung der Rechnung in voller Höhe nicht gegeben. Am 17.03.2014 buchte der Buchhalter, Herr W., die zweite Rate in voller Höhe ein und gab diese am nächsten Tag zur Überweisung an die Bank.

Im Rahmen eines Jour Fixe am 18.03.2014 erteilte Herr C. S. angesichts der bis dahin erbrachten Teilleistungen der t. GmbH die Zustimmung zur Bezahlung von - nur - 50 % der zweiten Rate.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 29.04.2014 (Anlage K 6) den Dienstvertrag des Klägers ordentlich zum 30.04.2015. Den Bereich Buchhaltung übernahm ab diesem Zeitpunkt Herr S.

In Stellungnahmen gegenüber Herrn S. vom 8. und 12.8.2014 (Anlagen B 5, B 6, B 7) erklärte der Kläger, er habe bis Ende Juli 2014 nicht gewusst, dass die Rechnung über die zweite Rate ingesamt bezahlt worden sei, er vermute, Herrn W. sei ein Fehler passiert.

Mit Schreiben vom 20.08.2014, dem ein Beschluss der Gesellschafterversammlung vom selben Tag beigefügt war, erklärte die Beklagte die außerordentliche fristlose Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags aus wichtigem Grund (Anlage K 4). Der Kläger erhielt die monatliche Festvergütung letztmals im August 2014 anteilig in Höhe von 10.105,35 Euro.

Der Kläger behauptet, er habe nach Erhalt der Mahnung der t. GmbH am 17.03.2014 mit dieser telefoniert und die hälftige Zahlung der Rechnung angekündigt. Dies habe er am selben Tag Herrn P. mitge...

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