Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung eines Anfechtungsgrundes nach § 133 Abs. 1 InsO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Darlegung eines Anfechtungsrechtes nach § 133 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) muss für den Zeitpunkt jeder angefochtenen Zahlung vorgetragen werden, dass fällige Verbindlichkeiten anderer Gläubiger bestanden haben, so dass durch die erfolgte Zahlung eine Benachteiligung dieser Gläubiger eingetreten ist.

2. Die - die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO auslösende - Kenntnis des Zahlungsempfängers von der "drohenden Zahlungsunfähigkeit" des späteren Insolvenzschuldners kann ohne das Hinzutreten weiterer Umstände in der Regel noch nicht allein deshalb angenommen werden, weil erst nach der Einleitung und Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und über einen längeren Zeitraum schleppend gezahlt wurde.

 

Normenkette

InsO § 133

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 29.08.2005; Aktenzeichen 9 O 4398/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.08.2009; Aktenzeichen IX ZR 159/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des LG München I vom 29.8.2005 - 9 O 4398/05 -, wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Klagepartei trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

Der Kläger fordert als Insolvenzverwalter in dem am 1.3.2003 eröffneten Insolvenz-verfahren über das Vermögen der Fa. S. GmbH in Winterberg verschiedene

Zahlungen aus dem Zeitraum 29.4.2002 bis 15.11.2002 zurück, die die Beklagte als Unfallversicherer der Insolvenzschuldnerin erhalten hat.

1. Er macht insoweit geltend, dass die Voraussetzungen einer Anfechtung der streitigen Zahlungen nach § 133 Abs. 1 InsO gegeben seien, so dass Zahlungen auf den Beitragsbescheid der Beklagten vom 23.4.2002, die spätere Gemeinschuldnerin am 29.4.2002 (i.H.v. 12.000 EUR), 6.5.2002 (i.H.v. 6.000 EUR), 3.6.2002 (i.H.v. 6.000 EUR), 1.7.2002 (i.H.v. 6.000 EUR), 27.9.2002 (i.H.v. 10.000 EUR), 9.10.2002 (i.H.v. 12.488,90 EUR) und nochmals 9.10.2002 (i.H.v. 12.463,40 EUR) geleistet hat, zurückgefordert werden könnten.

Vor dem LG München I beantragte er (nachdem in der Klage vom 28.2.2005 noch 66.952,30 EUR Hauptsachebetrag geltend gemacht waren), die Be-klagte zur Zahlung von 64.952,30 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.8.2004 zu verurteilen.

2. Die Beklagte beantragte Klageabweisung, weil sie von einer drohenden Zahlungs-unfähigkeit der Insolvenzschuldnerin ebenso wenig Kenntnis gehabt habe wie von einem etwaigen (bestrittenen) Vorsatzes der damaligen Geschäftsführung der In-solvenzschuldnerin zu einer Benachteiligung anderer Gläubiger. Auch bei Berück-sichtigung der vom Kläger angeführten neueren Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung greife die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht ein, da sie für eine drohende Zahlungsunfähigkeit keine Anhaltspunkte gehabt habe. Es sei un-zulässig, die Beklagte mit einer Finanzbehörde gleichzusetzen, die erheblich mehr Erkenntnismöglichkeiten über eine drohende Zahlungsunfähigkeit habe.

3. Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Im Wesentlichen hat es ausgeführt, ob bei den für die Insolvenzschuldnerin handelnden Personen ein Vorsatz zur Benachteiligung anderer Gläubiger bestanden habe, könne dahinstehen, weil jedenfalls der Beklagten eine Kenntnis eines etwaigen Vorsatzes nicht nachgewiesen sei.

Aus den bestehenden Beitragsschulden und der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch die Beklagte am 30.7.2002 könne nicht gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO darauf geschlossen werden, dass die Beklagte von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gewusst habe. Die vom BGH entschiedenen und vom Kläger angeführten Fälle (BGH v. 27.5.2003 - IX ZR 169/02, BGHReport 2003, 1177 m. Anm. Runkel = MDR 2003, 1256 = NJW 2003, 3347 und BGH NJW-RR 2004, 42) beträfen keine vergleichbaren Fallgestaltungen.

Auf den weiteren Inhalt des Ersturteils vom 29.8.2005, insb. die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen, wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

4. Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, nach der neueren Recht-sprechung des BGH seien die Voraussetzungen der Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO gegeben. In seiner Berufungsbegründung stellt er die erfolgten Zahlungen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nochmals zusammen und führt aus, hieraus und aus dem Beitragsbescheid vom 23.4.2002 für das Kalenderjahr 2001 - mit einer Beitragsschuld von 82.147,11 EUR für 2001 sowie den dort festgesetzten Säumniszuschlägen (2.640,31 EUR) - lasse sich ersehen, dass die Insolvenzschuldnerin bereits im Kalenderjahr 2001 nicht mehr in der Lage gewesen sei, den fälligen Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachzukommen. Zum Zeitpunkt 1.7.2002 habe die Insolvenzschuldnerin von der insgesamt festgesetzten Beitragsschul...

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