Leitsatz (amtlich)

1. § 302 Abs. 1, 3 AktG findet im Vertragskonzern mit einer GmbH als abhängiger Gesellschaft entsprechend Anwendung. Der auszugleichende Jahresfehlbetrag kann grundsätzlich auch durch Aufrechnung mit einem Gegenanspruch des herrschenden Unternehmens erfolgen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Geldmittel oder entsprechende Sachleistungen unter ausdrücklich vorher vereinbarter Anrechnung auf eine bestehende oder künftige Verlustausgleichverpflichtung zur Verfügung gestellt werden.

2. § 296 Abs. 1 S. 1AktG, wonach Unternehmensverträge mit einer abhängigen Aktiengesellschaft nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden können, findet auf Unternehmensverträge im GmbH-Konzern entsprechende Anwendung. Besonderheiten des GmbH-Rechts stehen dem nicht entgegen. Vielmehr ist aus Gründen der Rechtsicherheit und Rechtsklarheit sowie zur Vermeidung von Manipulationen zu Lasten anderer Gläubiger eine entsprechende Anwendung geboten.

3. Den Wertungen in § 288 Abs. 1 und 3 BGB ist bei negativem Basiszinssatz in der Form Rechnung zu tragen, dass Verzugszinsen mindestens in der Höhe beansprucht werden können, wie sie bereits ab Fälligkeit der Forderung nach §§ 352, 353 HGB geschuldet sind, mithin in jedem Fall in Höhe vom 5 % p.a..

 

Normenkette

AktG § 302 Abs. 1 analog, Abs. 3, § 296 analog; BGB § 288 Abs. 1, 3; HGB §§ 352-353

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 06.12.2011; Aktenzeichen 33 O 6912/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.06.2015; Aktenzeichen II ZR 384/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 6.12.2011 - 33 O 6912/10, wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG München I vom 6.12.2011 - 33 O 6912/10, klarstellend aufgehoben und in Ziffern I. und II. dahingehend abgeändert, dass diese wie folgt lauten:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.016.198,68 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % p.a. für die Zeit vom 1.1.2006 bis zum 15.1.2010 und i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, mindestens jedoch i.H.v. 5 % p.a., ab dem 16.1.2010 zu zahlen. II. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 86.925.472,48 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % p.a. für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 28.5.2010 und i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, mindestens jedoch i.H.v. 5 % p.a., ab dem 29.5.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird bzw. bleibt die Klage abgewiesen und wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 25 % und die Beklagte 75 %.

4. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil, soweit es Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Partei kraft Amtes Verlustausgleichsansprüche aus einem Gewinnabführungsvertrag für die Jahre 1999 und 2000 gegen die Beklagte geltend.

Der Kläger ist Sekundärinsolvenzverwalter über das in Deutschland belegene Vermögen der MG R. D. GmbH (im Folgenden: MGRD), über deren Vermögen durch Beschluss des AG Düsseldorf vom 7.11.2005 das Sekundärinsolvenzverfahren nach Art. 3 Abs. 2, Art. 27 EuInsoVO (vgl. Eröffnungsbeschluss, Anlage K 1) eröffnet wurde.

Die Beklagte ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der B. AG mit Sitz in M. Zwischen der Beklagten und der B. AG bestand ein Gewinnabführungsvertrag mit der Beklagten als "abhängigem" und der B. AG als "herrschendem" Unternehmen (vgl. Anlage B 2).

Im Jahr 1994 erwarb der B.-Konzern die britische R. -Gruppe und gliederte diese als Teilkonzern in den B.-Konzern ein. Die MGRD war die alleinige deutsche Vertriebsgesellschaft und organisierte den Import der in England produzierten Fahrzeuge der Marken R., Land R., MG und M. sowie den Vertrieb über deutsche Vertragshändler und Niederlassungen an Endkunden. Die MGRD ist eine GmbH nach deutschem Recht mit Sitz in N.

Die Beklagte war Alleingesellschafterin der MGRD bis zur Übertragung ihrer Anteile an der MGRD auf die R. O. Holdings Ltd. mit Sitz in Birmingham am 10.4.2000 (vgl. Anlage B 1).

Im Rahmen der Eingliederung des R.-Konzerns in den B.-Konzern schlossen die MGRD und die Beklagte am 02./5.7.1996 einen als Ergebnisabführungsvertrag bezeichneten Gewinnabführungsvertrag i.S.v. § 291 Abs. 1 S. 1 AktG. Nach § 3 Abs. 2 des genannten Vertrags sollte dieser zunächst bis zum Ablauf des Jahres 2000 laufen (vgl. Anlage K 3).

Am 25.4.2000 vereinbarten die MGRD und die Beklagte auf Veranlassung der B. -AG, den Gewinnabführungsvertrag mit sofortiger Wirkung aufzuheben (vgl. Anlage K 4). Dem Abschluss dieses Aufhebungsvertrags stimmte die R. O. Holdings Ltd. als zu diesem Zeitpunkt bereits alleinige Ge...

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