Leitsatz (amtlich)

1. Haben die Parteien die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart, so kann der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters oder eines Importeurs, der seine Tätigkeit bestimmungsgemäß nur außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums zu erbringen hat, auch dann wirksam abbedungen werden, wenn das nationale Recht des Tätigkeitslandes einen solchen Ausgleichsanspruch zwingend vorschreibt.

2. Ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs kann in den vorbezeichneten Fällen wirksam auch formularvertraglich vereinbart werden, da Vergleichsmaßstab und Rahmen des § 9 Abs. 2 Ziff. 1 AGBG a.F. allein das deutsche Recht ist. Die vom Gesetzgeber in § 92c HGB getroffene Wertung ist bei der Ermittlung der „wesentlichen Grundgedanken” der Regelungen über den Ausgleichsanspruch zu berücksichtigen.

 

Normenkette

AGBG § 9 Abs. 2 Ziff. 1; HGB § 92c

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 17 HKO 7993/99)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 11.10.2001 abgeändert und in Ziffern I und II wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 70.055,05 Euro nebst 5 % Zinsen hieraus seit 18.5.1999 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 48 % und die Beklagte 52 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Wert der Beschwer beider Parteien im Berufungsverfahren übersteigt 20.000 Euro.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz und Ausgleich in entsprechender Anwendung des § 89b HGB.

Die Klägerin befasst sich mit dem Import und der Reparatur von Kraftfahrzeugen auf Jamaika, die Beklagte stellt u.a. Automobile her.

Am 22.12.1987 schlossen die Parteien einen Importeurvertrag auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage K 1), der neben detaillierten Regelungen über die Rechte und Pflichten der Vertragsbeteiligten u.a. folgende Vereinbarungen enthält:

11.1 Laufzeit

Dieser Vertrag beginnt am 1.1.1988 und läuft bis zum 31.12.1988…

12.9 Ersatzansprüche – sonstige Ansprüche

Weitere über die vorstehenden Regelungen hinausgehende gesetzliche Ansprüche aus Anlass der Beendigung dieses Vertrages stehen dem Importeur nur unter der Voraussetzung zu, dass BMW Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Etwaige Ausgleichsansprüche – gleich aus welchem Rechtsgrund, sind in jedem Falle ausgeschlossen.

Darüber hinaus enthält der Vertrag eine Gerichtsstandsklausel mit dem Gerichtsstand München sowie eine Rechtswahlklausel, nach der auf alle Streitfälle über die Entstehung und Beendigung dieses Vertrages sowie über sämtliche Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag das zwischen deutschen Kaufleuten in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht anzuwenden ist.

In den Folgejahren bis einschl. 1994 bot die Beklagte jeweils mehrere Monate vor Ablauf der Befristung der Klägerin schriftlich die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, teils mit einer Laufzeit von 2 Jahren (Anlage K 2), teils mit einer Laufzeit von jeweils 1 Jahr (Anlagen K 3 und K 4) an. Ein entsprechendes Angebot der Beklagten zum Jahresende 1995 unterblieb, da die Beklagte eine Restrukturierung ihres Händlernetzes im Zuge der Akquisition des englischen Automobilherstellers R. beabsichtigte.

Gleichwohl gab die Beklagte der Klägerin mit Faxschreiben vom 30.1.1996 (Anlage K 7) die Absatzziele für das Jahr 1996 bekannt und kündigte mit einem weiteren Schreiben vom 1.3.1996 eine gemeinsame Überprüfung der Zielvorgaben im Januar 1997 an.

Mit Schreiben vom 7.5.1996 (Anlage K 8) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Vertrag zum 30.12.1995 beendet worden sei, keine Verlängerung stattgefunden habe und dass ab 1.10.1996 die Firma J. Ltd., bisheriger Importeur der Firma R. auf Jamaika, Alleinimporteur der Beklagten sein werde. Dieser Umstand wurde auch durch Berichte in der lokalen Presse von Juni 1996 (Anlage K 34) bis August 1996 (Anlagen K 9, K 30) bekannt gemacht.

Ein Angebot der Beklagten, als Untervertreter für den Alleinimporteur J. Ltd. ab 1.10.1996 tätig zu werden, lehnte die Klägerin im August 1996 ab.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stünden Schadensersatzansprüche aufgrund verfrühter Beendigung des Vertrags durch die Beklagte sowie auf Zahlung eines Ausgleichsanspruchs entspr. § 89b HGB zu. Vor Beendigung des Importeurverhältnisses habe die Beklagte Vertrauenstatbestände auf den Fortbestand der Vertragsbeziehung gesetzt. Demgegenüber habe die Kündigung der Beklagten frühestens zum 31.12.1997 wirken können. Der Klägerin stehe daher ein Schadensersatzanspruch auch unter dem Gesich...

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