Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur pharmakologischen Wirkung und zum Nährstoffcharakter pflanzlicher Sterole

 

Normenkette

VO (EG) 178/2002 Art. 2; RL 2004/27/EG Art. 1 Nr. 1; LFGB § 2 Abs. 2-3, § 12 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 2; DiätV § 1 Abs. 4a

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 19.05.2005; Aktenzeichen 17 HK O 1150/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.12.2008; Aktenzeichen I ZR 100/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 19.5.2005 aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und die Klage insgesamt abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits einschl. des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., ist ein branchenübergreifend und überregional tätiger Wettbewerbsverband.

Die Beklagte stellt das Mittel E. Kapseln her und vertreibt es als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät) zur diätetischen Behandlung von Hypercholesterinämie. Eine Kapsel enthält 200 mg pflanzliche Sterole in einem durch physikalische Extraktion erzielten Konzentrat aus Ölen von Mais, Soja und Raps und daneben Vitamin E.

Auf dem Verpackungskarton (vgl. Anlage K 2) ist neben der Bezeichnung Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät) auch folgender Text zu finden:

Pflanzliche Sterole sind Naturstoffe, die von der FDA (Food and Drug Administration - USA) anerkannte cholesterinsenkende Eigenschaften besitzen und über die zahlreiche wissenschaftliche Studien erstellt wurden. Immer mehr wissenschaftliche Daten lassen darauf schließen, dass eine Tagesdosis von 0,8g natürlichen pflanzlichen Sterolen i.V.m. einer Ernährung, die arm an gesättigten Fetten und Cholesterin ist, zu einer deutlichen Verminderung des Gesamt-Cholesterins und des LDL-Cholesterins im Blut beiträgt.

Pflanzliche Sterole enthaltende Produkte in der Darreichungsform von Kapseln waren bereits vor Mai 1997 im Handel in der Europäischen Union erhältlich.

Es gibt diverse unter den Marken X. und Y. vertriebene Margarine-, Milch- und Joghurtprodukte, denen zum Zweck der Reduzierung der Cholesterinaufnahme pflanzliche Sterole oder Stanolester zugesetzt sind und die als Lebensmittel vertrieben werden.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass pflanzliche Sterole (auch Phytosterole oder -sterine genannt) die Resorption von Cholesterin im Darm verhindern und dadurch dessen Konzentration im Blutplasma reduzieren. Die Sterole und das nicht resorbierte Cholesterin werden mit dem Stuhl wieder ausgeschieden.

Der Kläger mahnte die Beklagte wegen ihres seiner Auffassung nach wettbewerbswidrigen Vorgehens mit Schreiben vom 22.9.2004 ab und wandte hierfür pauschalierte Kosten i.H.v. 139,20 EUR auf.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Produkt E. Kapseln sei keine bilanzierte Diät i.S.d. § 1 Abs. 4a DiätV, weil schon kein Lebensmittel. Dessen wesentlichen Inhaltsstoffen, den pflanzlichen Sterolen, komme kein Ernährungszweck zu. Deren Wirkung sei keine ernährungsphysiologische, sondern eine pharmakologische. Eine Verwertung der Sterole im Körper finde nicht statt, da sie wieder ausgeschieden würden. Auch ein Bedarf an Sterolen sei nicht gegeben, da eine Senkung des Cholesterinspiegels auf vielfältige Weise erreicht werden könne, etwa durch die Einnahme von mit pflanzlichen Sterolen angereicherten Lebensmitteln der Marken X. oder Y.. Deshalb sei auch die ultima-ratio-Regel des § 1 Abs. 4a S. 2 Halbs. 2 DiätV nicht erfüllt. Zudem seien Pflanzenstanolester als Zusatzstoffe i.S.d. § 2 LMBG anzusehen, so dass sie gem. § 11 LMBG einer - nicht vorliegenden - Zulassung bedürften. Schon deshalb sei das Produkt nicht verkehrsfähig. Schließlich ergebe sich die Verkehrsunfähigkeit auch daraus, dass die Zulassung bzw. Notifizierung als Novel Food fehle. Des Weiteren hat der Kläger die Auffassung vertreten, der Hinweis auf die FDA sei ein solcher auf eine ärztliche Empfehlung bzw. auf ärztliche Gutachten. Zudem sei die Auslobung der Senkung des Cholesterinspiegels bzw. der Behandlung von Hypercholesterinämie krankheitsbezogen i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG und deshalb unzulässig.

Der Kläger hat mit seiner am 27.1.2005 zugestellten Klage beantragt,

I. der Beklagten bei Vermeidung [der gesetzlichen Ordnungsmittel] zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr das Mittel E. Kapseln

1. als "Diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diät)" in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben;

2. mit dem Hinweis "Pflanzliche Sterole sind Naturstoffe, die von der FDA (Food and Drug Administration - USA) anerkannte cholesterinsenkende Eigenschaften besitzen und über die zahlreiche wissenschaftl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge