Leitsatz (amtlich)

1. Gibt der Notar einen für sich betrachtet zutreffenden steuerrechtlichen Hinweis zu einem Einzelpunkt, folgt daraus nicht die Verpflichtung, die steuerlichen Annahmen der Parteien insgesamt auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

2. Im Jahr 1998 traf den Notar bei der Beurkundung der Veräußerung einer vermieteten Immobilie keine Hinweispflicht auf § 75 AO.

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 01.06.2006; Aktenzeichen 8 O 2639/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.09.2007; Aktenzeichen III ZR 33/07)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Traunstein vom 1.6.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehend aus den Gesellschaftern P., C. und K. S., hatte Darlehensforderungen gegen den Geschäftsmann H. Die Klägerin kam mit H., der bis 1989 als Steuerberater tätig gewesen war, im Jahr 1998 überein, von ihm Gewerbeimmobilien in Berlin zu kaufen. Ein Teil des zwischen den Parteien vereinbarten Kaufpreises sollte zur Ablösung des Darlehens dienen.

H. schlug der Klägerin den Beklagten als beurkundenden Notar vor. H. gab dem Beklagten die Kaufpreise und Umsatzsteuerbeträge für die gewerblichen Einheiten ausdrücklich vor. Dabei berücksichtigte er die anfallende Grunderwerbssteuer als Bemessungsgrundlage nicht. Der Beklagte wusste, dass nach einer Entscheidung des BFH vom 10.7.1980 bei Übernahme der Grunderwerbssteuer durch den Käufer die Hälfte davon zum umsatzsteuerlichen Entgelt rechnete.

Über die Tilgungsvereinbarung sagten die Vertragsparteien dem Beklagten nichts.

Am 17.12.1998 beurkundete der Beklagte den Kaufvertrag in Anwesenheit der Gesellschafter der Klägerin und des Verkäufers.

In Abschnitt III. des Kaufvertrags heißt es:

"Der Kaufpreis beträgt als Festpreis 4.559.338 DM - Deutsche Mark vier Millionen fünfhundertneunundfünfzig-tausenddreihundertachtundreißig -.

Hiervon entfallen auf:

I. den Laden Nr. 1 im Anwesen Hauptstraße 132 netto 1.980.000 DM

zzgl. der gesetzlichen MwSt. 16 %

gerechnet aus dem Betrag

2.014.650 DM 322.344 DM

also einen Bruttokaufpreis von 2.302.344 DM

II. die Läden Nr. 1-3 im Anwesen

A.-straße 10 netto 1.855.000 DM

zzgl. der gesetzlichen MwSt. 16 %

gerechnet aus dem Betrag

1.887.462,50 DM 301.994 DM

also einen Bruttokaufpreis von 2.156.994 DM

III. auf die Tiefgaragenstellplätze

Nr. 48, 52, 61, 68 und 78 je 20.000

somit insgesamt ein Betrag von 100.000 DM"

Die Umsatzsteuerbeträge hatte der Beklagte ggü. den Vorgaben von H. aufgrund seiner Kenntnis der Rechtsprechung über die Grunderwerbssteuer als umsatzsteuerliches Entgelt erhöht.

Im Abschnitt VIII. heißt es unter "Hinweise":

"...4. dass der Vertragsgegenstand für etwaige Rückstände an öffentlichen Abgaben und Lasten haftet, wozu auch Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch gehören..."

Die Klägerin zahlte 624.338 DM Umsatzsteuer an H., der den Betrag nicht an sein Finanzamt abführte.

Die Grunderwerbssteuer erhöhte sich durch den Umsatzsteuerausweis um umgerechnet 11.172,66 EUR.

Die Klägerin machte die Zahlung zunächst erfolgreich als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt München IV versagte jedoch nach einer Umsatzsteuerprüfung bei H. den Vorsteuerabzug mit Bescheid vom 17.7.2002 (Anlage K 2) mit der Begründung, es handele sich um eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG, da vermietete Gewerbegrundstücke unter Fortführung der bestehenden Pacht/Mietverträge durch den Erwerber übertragen worden seien. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG 1998 sei aber nur die gesetzlich geschuldete Steuer als Vorsteuer abziehbar. Den Einspruch der Klägerin wies das Finanzamt am 8.11.2002 zurück (Anlage K 6). Die Klägerin beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids. Mit Beschluss vom 28.4.2003 (Anlage K 10) lehnte das FG München den Antrag ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der BFH am 1.4.2004 (Anlage K 12) mit der Begründung zurück, es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass bei der Übertragung verpachteter/vermieteter (Gewerbe-)Immobilien unter Fortführung des Pacht-/Mietvertrages durch den Erwerber eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vorliege. Die Klägerin nahm daraufhin die von ihr erhobene Klage auf Abänderung des Umsatzsteuerbescheids zurück.

Die Klägerin zahlte an das Finanzamt aufgrund des nunmehr rechtskräftig geänderten Umsatzsteuerbescheids für das Jahr 1999 zusätzlich EUR 319.218,74 Umsatzsteuer, Säumniszuschläge i.H.v. 69.946,50 EUR und Zinsen i.H.v. 23.940 EUR. Die Gerichtskosten für das Verfahren vor dem FG und dem BFH betrugen 184,50 EUR beziehungsweise 369 EUR. Anwaltskosten entstanden in einer Gesamthöhe von 3.717,50 EUR.

Die Klägerin hat vorgebracht, der Bek...

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