Leitsatz (amtlich)

1. Die über Art. 34 EGBGB geschützten zwingenden Vorschriften der Handelsvertreterrichtlinie (Art. 17 - 19 Richtlinie 86/653/EWG) über Ausgleich und Entschädigung nach Vertragsbeendigung können nicht dadurch vereitelt werden, dass über die Rechtswahl hinaus der ausschließliche Gerichtsstand eines Drittstaates gewählt wird, dessen Recht dem Handelsvertreterausgleich entsprechende Ansprüche des Handelsvertreters nicht kennt. Die damit einhergehende Derogation deutscher Gerichte ist unwirksam.

(Fortführung von EuGH, Urt. v. 9.11.2000, EuZW 2001, 50)

2. Angesichts des Schutzzwecks der Eingriffsnorm reicht es für die Annahme eines Derogationsverbots aus, wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass das Gericht des Drittstaats in aus seiner Sicht vertretbarer Rechtsauslegung zwingendes deutsches Recht nicht zur Anwendung bringt. Einer positiven Feststellung, dass das Gericht des Drittstaats das deutsche Recht nicht anwenden wird, bedarf es nicht.

 

Normenkette

HGB § 89b; EGBGB Art. 34; Richtlinie 86/653/EWG Art. 17-19

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 05.12.2005; Aktenzeichen 15 HKO 23703/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München I vom 5.12.2005 - samt dem Verfahren - aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG München I zurückverwiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz in Manching bei München, befasst sich mit dem Vertrieb von Halbleiterbausteinen und begehrt von der Beklagten Handelsvertreterausgleich gem. § 89b HGB. Die Beklagte mit Sitz in San Jose/Kalifornien, stellt Halbleiterbausteine her.

Mit Vertrag vom 14.9.1998 (Anlage K 1) übernahm die Klägerin den ausschließlichen Vertrieb der Produkte der Beklagten in Deutschland und Österreich. Gemäß einer Nachtragsvereinbarung (Anlage K 2) wurde das Vertragsgebiet mit Wirkung ab 1.7.2001 auf die Länder Ungarn, Slowenien, Tschechische Republik und Polen erweitert.

In dem in englischer Sprache abgefassten Vertrag vom 14.9.1998 ist u.a. folgendes geregelt:

Ziff. 14.2:

"Sämtliche Streitigkeiten und Unstimmigkeiten, die durch oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag zwischen den Parteien auftreten, werden endgültig durch einen Schiedsspruch gemäß den Regelungen der American Arbitration Association, an welchen beide Parteien gebunden sind, beigelegt. ..."

Ziff. 14.3:

"Die Parteien vereinbaren unwiderruflich, dass alle Rechtsstreitigkeiten Schiedsverfahren, Klagen, oder Verfahren zwischen der Gesellschaft und dem Vertreter, die durch oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder durch oder im Zusammenhang mit der Auslegung oder Umsetzung dieses Vertrags oder einem Verstoß gegen diesen Vertrag auftreten, vor dem Staats- oder Bundesgerichten im Landkreis Santa Clara im Staat Kalifornien geführt werden. ..."

In Ziff. 14.5 wird als anwendbares Recht das Recht des Staates Kalifornien gewählt.

Die Klägerin wurde bis zum 27.8.2004 wie ein Handelsvertreter nach deutschem Recht für die Beklagte im jeweiligen Vertragsgebiet tätig. Mit Schreiben vom 24.8.2004 (Anlage K 6) erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung des Vertriebsvertrags, der die Klägerin mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 15.9.2004 widersprach (Anlage K 7).

Die Klägerin hält sowohl die vereinbarte Gerichtsstandklausel als auch die Schiedsvereinbarung für unwirksam. Aufgrund des zwingenden Charakters, den § 89b HGB durch Art. 17 und 18 der Richtlinie 86/653/EWG (sog. Handelsvertreterrichtlinie) erhalte, sei eine Derogation in einen Drittstaat, dessen Recht einen Entschädigungsanspruch des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung nicht kenne, unwirksam. Überdies seien die Schiedsvereinbarung und die Gerichtsstandklausel aufgrund perplexen Regelungsgehalts nichtig.

Das LG München I sei gem. § 23 ZPO zuständig, da die Beklagte über Vermögen im Inland verfüge.

Daher stehe ihr (der Klägerin) ein angemessener Handelsvertreterausgleich nach § 89b HGB zu. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Schnitt der letzten 5 Jahre eine Provision von 382.219,18 US-Dollar erzielt habe und den Umsatz der Produkte der Beklagten im Vertragsgebiet etwa verfünffacht habe.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen angemessenen, in das Ermessen des Gerichts gestellten Ausgleichsbetrag in US-Dollar zu zahlen, nebst Zinsen i.H.v. 8 % über den Basiszinssatz seit dem 26.11.2004.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hält das LG München I aufgrund der getroffenen Gerichtsstandvereinbarung für unzuständig. Ein Derogationsverbot wegen international zwingender Rechtsnormen bestehe nicht. Auch würden die nach der Gerichtsstandsvereinbarung zuständigen Gerichte in Santa Clara/Kalifornien europarechtliche Richtlinien zur Anwendung bringen, soweit sie diese für international zwingend anwendbar hielten.

Weiter bestreitet die Beklagte, dass sie im Bezi...

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