Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche wegen Überschuldung

 

Normenkette

GmbHG § 64 S. 1; HGB §§ 130a, 177a; InsO § 19 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Aktenzeichen Urt 23.2.2018, 1 HK O 2404/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23.02.2018, Az. 1 HK O 2404/16 aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von EUR 180.920,97 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.11.2015 zu bezahlen.

3. Dem Beklagten bleibt vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrags an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter gegen den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der Komplementärin der Insolvenzschuldnerin Ansprüche nach § 130a HGB geltend.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage mangels Insolvenzreife der Schuldnerin abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der insbesondere rügt, das Landgericht habe die insolvenzrechtlichen Begriffe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung verkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei der Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv festzustellen. Das Landgericht habe ferner die schriftliche Zeugenaussage des Zeugen Dr. S. nicht zutreffend erfasst.

Der Kläger beantragt,

I. Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23.02.2018, Az. 1 HK O 2404/16, wird aufgehoben und dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger einen Betrag von EUR 180.920,97 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.11.2015 zu bezahlen.

 

Entscheidungsgründe

II. Dem Beklagten bleibt vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrags an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Er hält die Berufung für rechtsmissbräuchlich und verteidigt das angegriffene Urteil. Die Berufung und die ursprüngliche Klage seien der Versuch der Sporthotel R. GmbH, originär eigene wirtschaftliche Risiken auf den Beklagten abzuwälzen. Es fehle schon am Bedarf der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 130a HGB, deren Voraussetzungen auch nicht vorlägen. Zu keinem Zeitpunkt der willkürlich ausgewählten Zahlungsvorgänge, sei die Schuldnerin zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen. Die Zahlungen hätten der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns entsprochen. Den Beklagten treffe kein Verschulden.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Protokoll vom 22. November 2018 (Bl. 357/359 d.A.) Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, die sie sei rechtsmissbräuchlich (Seite 5 der Berufungserwiderung, Bl. 311 d.A.). Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.1. Bezug genommen.

2. Die Berufung ist begründet.

2.1. Die Klage ist zulässig. Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Ansicht ist sie insbesondere nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Sporthotel R. GmbH den Kläger "vorschiebt" (Seite 6 der Berufungsbegründung, Bl. 312 d.A.). Die erhobene Klage dient der Auffüllung der Insolvenzmasse. Dass der Kläger gegen die Sporthotel R. GmbH keine Anfechtungsansprüche verfolgt, steht der Zulässigkeit der streitgegenständlichen Klage nicht entgegen.

2.2. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 130a Abs. 2 Satz 1 2. Alt. i.V.m. § 177a Satz 1 HGB Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Zahlungen. Wie bei § 64 Satz 1 GmbHG ist der Anspruch nach § 130a Abs. 2 Satz 1 2. Alt. HGB auf Erstattung solcher Zahlungen gerichtet (BGH, Urteil vom 26. März 2007 - II ZR 310/05 -, juris Rn. 9), die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft entgegen § 130a Abs. 1 HGB geleistet werden, es sei denn, die Zahlungen sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar.

2.2.1. Bei der Schuldnerin ist kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person. Dass der Beklagte alle...

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