Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichzeitiges Betreiben von Hauptsacheverfahren und Verfügungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Das gleichzeitige Betreiben von Verfügungsverfahren und Hauptsacheverfahren durch den Unterlassungsgläubiger ist jedenfalls dann nicht rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG, wenn der Unterlassungsschuldner sich im Verfügungsverfahren nach Erlass der Beschlussverfügung und noch vor Einreichung der Hauptsacheklage dem Unterlassungsgläubiger ggü. dahingehend erklärt, er werde gegen die Beschlussverfügung Widerspruch einlegen, eine Abschlusserklärung ablehnt und auch im weiteren Verlauf der jeweiligen ersten Instanz des Verfügungs- und des Hauptsacheverfahrens den Wettbewerbsverstoß beharrlich in Abrede stellt.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 5 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 8 Abs. 1-2, 4, § 11; BGB § 242; ZPO § 937 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 25.01.2007; Aktenzeichen 17 HKO 14732/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München I vom 25.1.2007 - 17 HKO 14732/06 - in Ziff. V. und VI. abgeändert.

II. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Werbung für Fernabsatzverträge mit niedrigeren als den tatsächlich verlangten Versandkosten zu werben.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 75.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Frage, inwieweit die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs wegen eines vom LG angenommenen Wettbewerbsverstoßes rechtsmissbräuchlich ist.

Die Beklagte, die einen Internetversandhandel u.a. für Elektrogeräte betreibt, warb am 19.6.2006 auf der Webseite www.t.com im Internet in der Preissuchmaschine "preis.de" für das Fernsehgerät Sony KDL 46 S2000E HD Ready LCD. In der Rubrik "Versand" auf dieser Seite (vgl. JS1) ist angegeben: "ab 5,99 EUR". Klickte der Kunde das konkrete Fernsehgerät auf der Seite an, erschien nunmehr eine Webseite der Beklagten, auf der das Gerät mit den genauen Daten und die Angabe von Versandkosten von mindestens 50 EUR je nach Zahlungsart enthalten waren.

Die Klägerin, die ebenfalls Elektrogeräte vertreibt, hat die Beklagte wegen dieser Werbung auf Unterlassung, Zinszahlung, Schadensersatz und Auskunft in Anspruch genommen und beantragte u.a.,

1. der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Werbung für Fernabsatzverträge mit niedrigeren als den tatsächlich verlangten Versandkosten zu werben.

2. ...

Das LG hat die Beklagte den Klageanträgen zu den Annexansprüchen entsprechend verurteilt, die Klage hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs jedoch wegen Unzulässigkeit der Klage abgewiesen.

Das LG begründet seine Entscheidung im Wesentlichen damit, die Klage sei hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs wegen Rechtsmissbrauchs der Klägerin unzulässig. Für die Mehrfachverfolgung der Beklagten durch das parallele Betreiben von Verfügungs- und Hauptsachverfahren bestünde kein nachvollziehbarer Grund, denn die Klägerin sei durch die einstweilige Verfügung ausreichend geschützt gewesen. Der Beklagten sei nach Zugang der Entscheidungsgründe im Verfügungsverfahren eine Überlegungsfrist zuzubilligen, inwieweit sie die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung akzeptiere. Die Fortführung des Hauptsacheverfahrens durch Zahlung des Gebührenvorschusses sei verfrüht gewesen. Die Klägerin hätte den Ablauf der Berufungsfrist im Verfügungsverfahren abwarten müssen. Es habe auch nicht die Gefahr der Verjährung des Anspruchs bestanden.

Hingegen seien die weiteren Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG aus §§ 8 Abs. 2, 9 UWG, 242 BGB wegen irreführender Werbung begründet. Ein Rechtsmissbrauch unter dem Gesichtspunkt der großen Anzahl von Abmahnungen und Verfügungsanträgen sei nicht anzunehmen.

Die Klägerin erwirkte nach fruchtloser Abmahnung am 17.7.2006 eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der beanstandeten Werbung, die der Beklagten am 26.7.2006 zugestellt wurde. Gegen diese legte die Beklagte am 10.8.2006 Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 8.8.2006 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass gegen die Beschlussverfügung Wi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge