Leitsatz (amtlich)

1. Wird nach unberechtigter Verwendung eines Bildnisses zur Werbung Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr verlangt, dann ist zur Bemessung dieser Forderung darauf abzustellen, welches Entgelt vernünftige Vertragspartner in der Lage der Parteien als angemessenes Honorar für die werbemäßige Verwertung des Fotos ausgehandelt hätten. Bei der Entscheidung dieser Frage sind alle Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen.

2. Bei der Bemessung der Vergütung darf der Verletzte nicht mehr erhalten als er bei ordnungsmäßigem Vorgehen des Eingreifenden erhalten hätte; ein Strafzuschlag ist nicht zulässig.

3. Festsetzung der angemessenen Lizenzgebühr für die Verwendung der Figur des „Blauen Engel” in der bundesweiten Werbung für Kopiergeräte auf 70.000 Euro. (Abschlussentscheidung zu BGH, Urt. v. 1.12.1999 – I ZR 226/97, MDR 2000, 1146 = AfP 2000, 354 = NJW 2000, 2201 – Blauer Engel).

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 21 O 19723/95)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 22.08.2006; Aktenzeichen 1 BvR 1168/04)

 

Tenor

I. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München I, 21. Zivilkammer, vom 14.2.2001 dahin geändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 70.000 Euro zzgl. 4 % Zinsen hieraus jährlich vom 28.10.1995 bis zum 30.4.2000 und 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit dem 1.5.2000 zu zahlen.

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, verfolgt den Zweck, die Persönlichkeit und das Lebenswerk der am 6.5.1992 verstorbenen Schauspielerin Marlene Dietrich zu schützen und deren Rechte wahrzunehmen. Zu diesem Zweck hat Maria Riva – einziges Kind und Alleinerbin von Marlene Dietrich – der Klägerin sämtliche ihr zustehenden Rechte an dem Werk, der Persönlichkeit und dem Bild ihrer Mutter einschl. möglicher Zahlungsansprüche wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten übertragen.

Die Beklagte, die unter der Marke „T.-”Computer, Fotokopiergeräte und andere Elektroartikel vertreibt, verwandte im Jahre 1993 in einer Zeitungsanzeige für ein Fotokopiergerät die Fotografie einer nachgestellten Szene aus dem 1930 gedrehten Film „Der blaue Engel”, in dem Marlene Dietrich die Hauptdarstellerin war: In der weiterhin bekannten Originalszene ist Marlene Dietrich in der Rolle der Barsängerin in aufreizender Pose sitzend – das rechte Bein nach oben gezogen und angewinkelt – zu sehen, während sie das Lied „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt” singt. In dem Werbefoto ist diese Szene mit einer ähnlich gekleideten Person nachgestellt.

Die Schlagzeile des Werbetexts lautet: „Vom blauen Engel schwärmen genügt uns nicht”. Am Ende des Textes folgt eine Kopie des landläufig ebenfalls als „Blauer Engel” bezeichneten Umweltzeichens. Eine Zustimmung von Maria Riva zur Verwendung dieses Bildes lag nicht vor. Die Klägerin nimmt die Beklagte – nachdem diese sich zwar strafbewehrt verpflichtet hatte, die Verbreitung der Werbeanzeige künftig zu unterlassen, weitergehende Ansprüche aber geleugnet hatte – im Wege der Stufenklage auf Auskunft über die Werbekampagne und auf Zahlung einer angemessenen Lizenzvergütung in Anspruch.

Der BGH hat auf Revision der Klägerin der Klage zum Auskunftsanspruch stattgegeben und die Sache zur Entscheidung über den Zahlungsanspruch an das LG zurückverwiesen (BGH, Urt. v. 1.12.1999 – I ZR 226/97, MDR 2000, 1146 = AfP 2000, 354 = NJW 2000, 2201). Das LG hat – nach Erteilung der Auskunft durch die Beklagte – der Zahlungsklage i.H.v. 100.000 DM stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte verweist auf ihre Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BGH und vertritt die Auffassung, dass ein Zahlungsanspruch überhaupt nicht bestehe. Sie wendet sich auch gegen die Höhe des zugesprochenen Betrages.

Die Beklagte beantragt, das Ersturteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hat ferner in zweiter Instanz Anschlussberufung eingelegt und beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine angemessene Lizenzgebühr zu bezahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht weniger als 76.693,78 (= DM 150.000) betragen soll, zzgl. 4 % Zinsen vom 28.10.1995 bis 30.4.2000 sowie 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.5.2000.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass – entspr. dem eingeholten Sachverständigengutachten – der zugesprochene Betrag zu erhöhen ist.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Sie verweist im Wesen...

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