Entscheidungsstichwort (Thema)

Ad-hoc-Publizität. Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Kapitalerhaltung. Anscheinsbeweis

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Rahmen der Geltendmachung der Informationsdeliktshaftung gemäß § 826 BGB wegen fehlerhafter Ad-hoc-Publizität wird der Nachweis der konkreten Kausalität zwischen der Täuschung und der Willensentscheidung des Anlegers durch einen Anscheinsbeweis erleichtert, der darauf beruht, dass der Anleger grundsätzlich in die „Richtigkeit allgemeiner Informationen” über das Unternehmen vertraut und an dessen wirtschaftliche Substanz und langfristigen Erfolg glaubt.

Dem hat der BGH in der Revisionsinstanz (BGH, Urteil v. 28.11.2005) entgegengehalten:

Im Rahmen der Geltendmachung der Informationsdeliktshaftung gemäß § 826 BGB wegen fehlerhafter Ad-hoc-Publizität reichen zum Nachweis der konkreten Kausalität zwischen der Täuschung und der Willensentscheidung des Anlegers dessen generelles Vertrauen in die „Richtigkeit allgemeiner Informationen” über das Unternehmen sowie der „Glaube an dessen wirtschaftliche Substanz und langfristigen Erfolg” nicht aus.

 

Normenkette

BGB § 826; AktG § 57

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 26.06.2003; Aktenzeichen 3 O 12098/02)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG München I vom 26.6.2003 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision zum BGH wird zu gelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte wurde 1995 durch Umwandlung einer schon vorhandenen ... durch das Ehepaar ... und ... und ... gegründet. Zunächst war ... Vorstandsvorsitzende der Beklagten, ab 10.6.1999 übernahm ..., der von Anfang an Hauptaktionär der Beklagten war und bereits zuvor die Geschicke der Beklagten bestimmt hatte, diese Funktion.

Die Beklagte entwickelt, produziert und vermarktet Soft- und Hardware-Produkte für drahtlose Kommunikationsdienste auf dem Gebiet der Verkehrsnavigation, sog. Telematiksysteme, und erbringt damit zusammenhängende Dienst- und Servibeleistungen.

Die Aktien der Beklagten wurden auf Initiative der Eheleute ... im Jahr 1999 zum Geregelten Markt im Marktsegment ... der Börse zugelassen und am 26.11.1999 erstnotiert.

Im Zusammenhang mit dem Börsengang der Beklagten fingierte ... mit Hilfe seiner Ehefrau ab 1998 Umsätze der Beklagten. Hierzu erfand er eine Firma mit Sitz in ..., die angeblich die Produktion der zu verkaufenden Geräte in Auftrag geben und diese direkt an die hauptsächlich in ... ansässigen Kunden ausliefern sollte. Über die Beklagte lief lediglich der Rechnungsverkehr, wobei für die Beklagte ein Aufschlag auf die Eingangsrechnungen und Lizenzgebühren erhoben wurde. Den Rechnungen lagen keine tatsächlichen Geschäfte zugrunde, wurden aber in der Buchhaltung der Beklagten als solche verbucht.

In dem für den Börsengang veröffentlichten Prospekt der Beklagten wurden Umsätze von 4,5 Mio. DM für das Jahr 1998 behauptet, während der tatsächliche Umsatz etwa 1,5 Mio. DM betrug.

Im Jahr 1999 betrug der tatsächliche Umsatz der Beklagten 2,84 Mio. DM, während die Buchhaltung einen Gesamtumsatz von 20,02 Mio. DM auswies.

Für das Jahr 2000 wurden von 85,89 Mio. DM ausgewiesenem Gesamtumsatz 83,26 Mio. DM und für das Jahr 2001 von 93,60 Mio. DM 90,3 Mio. DM Umsatz auf diese Weise vorgetäuscht.

Die unrichtigen Zahlen wurden sowohl dem Verkaufsprospekt zum Börsengang als auch allen späteren Geschäftsberichten und Ad-hoc-Mitteilungen der Beklagten zugrunde gelegt, wobei es insb. darauf ankam, den Börsenkurs der Beklagten zu erhöhen.

Unter anderem wurden von der Beklagten am 3.5.2000, 7.8.2000, 9.10.2000, 30.10.2000, 3.1.2001, 26.2.2001, 26.3.2001, 6.4.2001, 7.5.2001, 13.7.2001, 2.8.2001, 23.10.2001, 21.1.2002 und am 22.2.2002 Umsatzmitteilungen veröffentlicht, denen die unrichtigen Umsatzzahlen zugrunde lagen. Erst im Februar 2002 wurde die Vorgehensweise der Eheleute ... von der mit der Erstellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2001 beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ... entdeckt, die daraufhin am 19.2.2002 das Prüfmandat niederlegte und dies auch einen Tag später veröffentlichte. Die Beklagte veröffentlichte hierauf, wie auch nach einem früheren Bericht im Januar 2001, der Zweifel an den Zahlen der Beklagten äußerte, Mitteilungen, in denen sie die Berechtigung von Zweifeln an den Umsatzzahlen verneinte (Anlagen B 3 und K 3). Eine Sonderprüfung der Unterlagen der Beklagten durch eine weitere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im März 2002 führte zur endgültigen Aufdeckung der falschen Umsatzzahlen der Beklagten.

..., der sich seit 26.3.2002 in Untersuchungshaft befand, wurde in diesem Zusammenhang mit rechtskräftigem Urteil des LG München I, Az. 6 KLs 305 Js 34066/02 vom 21.1...

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