Leitsatz (amtlich)

1. Der Ausgleichsanspruch eines Kraftfahrzeug-Vertragshändlers setzt voraus, dass der Automobilhersteller tatsächlich in der Lage ist, die vom Vertragshändler geschaffenen Geschäftsbeziehungen selbst zu nutzen. Die Nutzungsmöglichkeit besteht, wenn der Unternehmer die Geschäftsdaten von einem vom beauftragten, rechtlich selbstständigen Dritten verwalten lässt.

2. Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs kann die so genannte 2. Berechnungsmethode, bei der von den Mehrfachkundenumsätzen des letzten Vertragsjahres ausgegangen wird, angewendet werden, wenn die Umsätze und die Mehrfachkundenquoten in den letzten 5 Jahren vor Beendigung des Vertrages annähernd gleich bleibend waren. Dies ist bei Umsatzschwankungen von ca. 15 % bei einem einmaligen Umsatzrückgang von 27 %, der im Folgejahr voll ausgeglichen wird, und bei Mehrfachkundenquoten für die Jahre 1994 bis 1998 von 28 %, 34 %, 37 %, 45 % und 43 % zu bejahen.

3. Die Ausgleichsberechnung nach der so genannten „Münchner Formel”, die zu praktisch brauchbaren Ergebnissen führt, kann einem Urteil nur zugrunde gelegt werden, wenn die Zurechnung der Boni, die Bemessung des Verwaltungsanteils und des Prognosezeitraums sowie die Ermittlung des Billigkeitsabschlages auf den konkreten Einzelfall bezogen vorgenommen wird.

4. Der bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGB vorzunehmende Billigkeitsabschlag im Hinblick auf die „Sogwirkung der Marke” ist bei einem Kraftfahrzeughersteller mit hohem Bekanntheitsgrad und besonders großer Kundentreue mit einem Drittel anzusetzen. Sollten versehentlich Eigennamen nicht anonymisiert sein, bitte ich Sie, dies ergänzend vorzunehmen.

 

Normenkette

HGB § 89b

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 30.06.2000; Aktenzeichen 3 HKO 15415/99)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.05.2003; Aktenzeichen XI ZR 248/02)

BGH (Urteil vom 21.01.2003; Aktenzeichen XI ZR 125/02)

BGH (Beschluss vom 04.07.2002; Aktenzeichen V ZR 75/02)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 30.6.2000 dahin gehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 132.705,03 Euro (= 259.548,49 DM) nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 1.1.1999 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 29/100 und die Beklagte 71/100. Von den Kosten des landgerichtlichen Verfahrens haben die Klägerin 32/100 und die Beklagte 68/100 zu tragen.

III. Die Zwangsvollstreckung kann die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 3.100 Euro, die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 160.000 Euro abwenden, wenn nicht jeweils die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer beider Parteien im Berufungsverfahren übersteigt 60.000 DM (= 30.677,51 Euro).

 

Tatbestand

Die Klägerin macht als frühere Kraftfahrzeugvertragshändlerin der Beklagten Ausgleichsansprüche geltend.

Die Klägerin war seit 1989 Vertragshändlerin der Beklagten, zuletzt auf der Grundlage des Vertragshändlervertrages vom 1.8./1.10.1996 (Anlage K1, nachfolgend als Vertrag bezeichnet). Der Vertrag, auf den Bezug genommen wird, enthält unter anderem folgende Regelungen:

„4.1.2 Absatzverantwortung – Werbung

In Wahrnehmung der Verantwortung des Händlers für die Förderung des Absatzes und die Ausschöpfung des Marktpotentials für Vertragsware ist der Händler verpflichtet, eine wirksame Absatzförderung zu betreiben, sowie nach besten Kräften und unter Einsatz angemessener Mittel für das B-AG Programm zu werben.

4.3.3 Lager und Einrichtung

Der Händler wird ein geeignetes Lager mit entsprechender Einrichtung für Original B-AG Teile bereitstellen und ständig unterhalten.

Soweit der Händler im Rahmen der Ziff. 3.1 dieses Vertrages Teile Dritter anbietet oder verwendet, ist er verpflichtet, diese getrennt von Original B-AG Teilen zu lagern.

7.2.3 Kaufmännisches und technisches Personal

Der Händler wird in allen Bereichen (Verkauf, Kunden- und Teiledienst) in ausreichendem Maße fachlich ausgebildetes kaufmännisches und technisches Personal beschäftigen. Er wird für dessen ständige Aus- und Weiterbildung sorgen. Hierzu wird der Händler sich des Einsatzes der von B-AG angebotenen Schulungssysteme bedienen und in Zusammenarbeit mit B-AG die regelmäßige Teilnahme der betroffenen Mitarbeiter an geeigneten Fortbildungsveranstaltungen ermöglichen und fördern.

7.4.1 Datenverarbeitung/-austausch

Um einen für alle Beteiligten möglichst rationellen Betriebsablauf sicherzustellen, wird der Händler die Möglichkeiten der Informationsverarbeitung (IV) für alle Arbeitsgebiete im Händlerbetrieb in einem wirtschaftlich sinnvollen Ausmaß nutzen. Er wird die organisatorischen und technischen Voraussetzungen schaffen, um die optimale Abwicklung des Geschäftsverkehrs und des gegenseitigen Datenflusses zwischen ihm und B-AG sicherzustellen.

Zu diesem Zweck wird sich der Händler bevorzugt solcher ...

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