Leitsatz (amtlich)

Überlässt ein Berufsfotograf einem Zeitungsverlag Fotoabzüge, damit sie in dessen Bildarchiv aufgenommen werden und der Zeitungsredaktion für die Bebilderung der Artikel zur Verfügung stehen, und nimmt der Verlag die Abzüge in sein Archiv auf, so können darin die Übertragung des Eigentums an den Abzügen sowie ein darauf gerichteter schuldrechtlicher Vertrag liegen; daneben tritt das Angebot auf Abschluss eines Vertrags über die urheberrechtliche Nutzung der in den Abzügen verkörperten Lichtbildwerke oder Lichtbilder.

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 30.04.2003; Aktenzeichen 1 O 5650/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.12.2006; Aktenzeichen I ZR 34/04)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München II vom 30.4.2003 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, und die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

Die Parteien streiten um die Herausgabe von Fotoabzügen, die der Kläger in den Siebziger und Achtziger Jahren dem Archiv der Beklagten, aus dem heraus sie ihre Zeitungen bebildert, überlassen hat.

I.1. Der Kläger ist Berufsfotograf. Er orientiert sich für seine Bilder nicht an tagesaktuellen Ereignissen, sondern an dauerhaft veröffentlichungswürdigen Themen.

Die Beklagte verlegt die Zeitungen Wirtschaftswoche und Handelsblatt.

a) Ab 1971 übersandte der Kläger den Redaktionen der Wirtschaftswoche und des Handelsblatts zahlreiche Schwarzweißabzüge seiner Fotografien auf kartonstarkem Barytpapier in den Formaten von ungefähr 24 cm × 30 cm und 30 cm × 40 cm. Auf der Rückseite der Abzüge befand sich zumindest meistens ein Vermerk mit Namen, Adresse und Bankverbindung des Klägers; in den meisten Fällen war auch ein Stempelaufdruck „Foto nur leihweise” aufgebracht. In den Lieferscheinen zu den Sendungen hieß es regelmäßig „zur Archivauswahl”, bisweilen auch „leihweise, zur Auswahl”. In einem zwischen den Parteien strittigen Ausmaß ersuchten auch die Redaktionen den Kläger um Übersendung von Bildmaterial. Aus der Fülle der übersandten Abzüge suchten die Redaktionen diejenigen heraus, die ihnen für künftige Veröffentlichungen geeignet erschienen, und nahmen sie in ihre – später zu einem Archiv zusammengeführten – Bildarchive auf. Die anderen Abzüge sandten sie wieder an den Kläger zurück. Wenn die in die Archive aufgenommenen Abzüge für Veröffentlichungen verwendet wurden, zahlte die Beklagte die vom Kläger dafür verlangten Honorare.

In einem Schreiben vom 26.2.1971 (Anl. K 31), mit dem sie zahlreiche Abzüge an den Kläger zurücksandte, teilte ein Redakteur der Wirtschaftswoche dem Kläger mit, dass sieben Fotos für ein Schwerpunkt-Thema „Berufe und Chancen” vorgesehen seien, die die Redaktion bis zum Erscheinen des Schwerpunkts behalten wolle; nach der Veröffentlichung erhalte der Kläger auch diese Aufnahmen zurück.

Ab 1975 waren auf der Rückseite der Lieferscheine Allgemeine Geschäftsbedingungen des Klägers abgedruckt, die u.a. folgende Klauseln enthielten:

5. Die Zusendung meiner Bildvorlagen erfolgt leihweise.

8. Werden meine Vorlagen nicht innerhalb der auf dem Lieferschein genannten Frist (im Zweifelsfall 4 Wochen) zurückgegeben, bin ich berechtigt, Leihgebühren zu berechnen.

9. Zusätzliches Blockierungshonorar = Mindesthonorar wird erhoben für Bildvorlagen, die sechs Monate nicht verwendet oder blockiert wurden.

10. Für angenommenes Material, das sechs Monate nach der Lieferung noch nicht veröffentlicht ist, wird ein Voraushonorar in Höhe des Mindesthonorars fällig.

19. Gerichtsstand und Erfüllungsort ist München.

Ab jener Zeit verlangte der Kläger für jeden einbehaltenen Abzug eine von ihm als „Archivgebühr” bezeichnete Zahlung von zunächst 10 DM, später 15 DM, die die Beklagte jeweils erbrachte. Wenn sie die Abzüge für eine Veröffentlichung genutzt hatte und sie nicht mehr brauchte, sandte die Beklagte auch solche Abzüge zurück, für die sie bereits eine „Archivgebühr” gezahlt hatte. In der Folge bat der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 17.1.1977 (Anl. K 110) um die gelegentliche Rücksendung von Archivfotos, die die Wirtschaftswoche inzwischen veröffentlicht habe.

Blockierungs- oder Voraushonorare gem. den Ziff. 9 und 10 seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlangte der Kläger von der Beklagten nicht.

1986 übersandte der Kläger das letzte Mal Abzüge, deren Herausgabe er nunmehr verfolgt.

1998 und 1999 verschenkte die Beklagte Abzüge aus ihrem Archiv an das Deutsche Historische Museum, darunter zwei Abzüge des Klägers. Der Kläger erfuhr davon erst nach Klageerhebung, als das Deutsche Historische Museum ihm diese Abzüge im Februar 2001 zusandte.

b) Seit Ende der Neunziger Jahre entwickelte sich ein Sammlermar...

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