Leitsatz (amtlich)

Eine nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB unzulässige Beschränkung der Kündigungsfreiheit zulasten des Handelsvertreters kann auch dann vorliegen, wenn an die Kündigung des Handelsvertreters wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende finanzielle Nachteile geknüpft werden. Das kann bei Vertragsklauseln der Fall sein, die eine Rückzahlung langfristiger, erheblicher Provisionsvorschusszahlungen bei einer Kündigung durch den Handelsvertreter vorsehen.

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 19.05.2016; Aktenzeichen 41 O 1335/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Landshut vom 19.05.2016, Az. 41 O 1335/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Landshut sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesen Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin fordert von dem Beklagten Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Höhe von 21.426,90 Euro.

Der Beklagte war von 01.04.2012 bis 31.03.2014 als Versicherungsvertreter für die Klägerin tätig, aufgrund eines Standard-Vertretervertrags (Anlage K 1) und einer ergänzenden Vereinbarung vom 13./23.03.2012 (Anlage K 2). Letztere enthielt unter der Überschrift "Provisionsgarantie (Ergänzung Ziffer VIII Vertretervertrag)" u.a. folgende Regelungen:

"Wir garantieren Ihnen ab 01.04.2012 eine monatliche Mindestprovision in Höhe von 2.500,00 Euro ... Diese Zusage ist bis zum 31.12.2012 befristet ... Die Zusage kann jedoch verlängert werden.

Folgende Regelungen werden Bestandteil der Provisionsgarantie:

  • Die Provisionsgarantie erfolgt unter Anrechnung der Netto-Provisionsgutschriften für vermittelte Kranken-, Lebens- und Unfallversicherungen.
  • Übersteigen die Provisionsgutschriften die garantiere Provisionauszahlung, werden die überschießenden Beträge auf einem Garantiekonto angesammelt. Ein sich ergebender Unterverdienst wird vorgetragen ...
  • Das Garantiekonto wird erst nach Ablauf der Garantiezeit abgerechnet. Ein angesammelter Überverdienst wird ausbezahlt, ein verbleibender Unterverdienst ist vom Vertreter auszugleichen.
  • Zur Deckung eventuell bestehender Unterverdienste können sämtliche Prämien und Sonderzahlungen herangezogen werden.
  • Endet das Vertragsverhältnis wider Erwarten vor Ablauf der vereinbarten Garantiezeit, endet auch die Garantiezusage entsprechend."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K 1 und K 2 Bezug genommen.

Die Provisionsgarantie wurde von den Parteien einvernehmlich bis Ende 2013 verlängert. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage K 4.

Die Klägerin kündigte die Vertragsbeziehung mit dem Beklagten mit Schreiben vom 28.01.2014 zum 31.03.2014 (Anlage B 1).

Die Klägerin behauptet, das Provisionsvorschusskonto des Beklagten habe mit einem Negativsaldo geendet, den sich nun mit der Klage geltend macht. Einen Teilbetrag von 16.389,32 Euro habe der Beklagte mit Unterzeichnung des Schreibens vom 10.01.2013 (Anlage K 4) anerkannt. Mündliche Abreden über die Rückzahlbarkeit der Provisionsvorschüsse habe es nicht gegeben. Die Klägerin ist der Ansicht, die Regelungen zur Rückzahlbarkeit der Vorschüsse seien wirksam.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.426,90 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.04.2014 zu bezahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte behauptet, bei Vertragsschluss und danach sei von Mitarbeitern der Klägerin mündlich versichert worden, die schriftlich niedergelegte Vereinbarung zur Rückzahlbarkeit der Negativsalden sei nur eine Formalie, tatsächlich habe keiner der Versicherungsvertreter eine tatsächliche Rückforderung zu befürchten, eventuelle Negativsalden würden ausgebucht.

Zudem ist der Beklagte der Ansicht, die vertraglichen Regelungen zur Rückzahlbarkeit der Vorschüsse seien geeignet, den Handelsvertreter von einer Kündigung abzuhalten und daher unwirksam.

Das LG, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Zwar habe grundsätzlich eine Rückzahlungspflicht des Beklagten in der geltend gemachten Höhe bestanden. Jedoch stehe nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass die Rückzahlungspflicht durch Erlassvertrag erloschen sei.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Das LG ziehe falsche Schlussfolgerungen aus den Zeugenaussagen und lasse offen, wer mit wem was konkret vereinbart habe. Zudem verkenne das LG, dass die Zeugen Ze. und Zi. keine Vertretungsmacht zum Abschluss eines Erlassvertrags gehabt hätten und ein mündlicher Erlassvertrag ohnehin wegen der Schriftformklausel unwirksam wäre. Die Regelung üb...

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