Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Werbung um konkretes Mandat

 

Normenkette

BRAO § 43b

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 08.02.2011; Aktenzeichen 1 HK O 18466/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.11.2013; Aktenzeichen I ZR 15/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG München I vom 8.2.2011 - 1 HK O 18466/10, abgeändert und wie folgt gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, bei den von ihr nicht vertretenen Kommanditisten der Grundrendite Liegenschaften GmbH & Co. Immobilien Fonds KG in einem persönlich an diese Kommanditisten gerichteten Schreiben um die Erteilung eines Mandats zur Abwehr der vom Insolvenzverwalter gegen die Kommanditisten geführten Klage auf Rückzahlung von Ausschüttungen wie im nachfolgend wiedergegebenen Schreiben zu werben:

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld i.H.v. bis zu EUR 250.000, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie vorstehend unter Ziff. 1 bezeichnete Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Werbemaßnahmen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die vorstehend in Ziff. 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und/oder künftig noch entstehen wird.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. EUR 100.000 abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines als unlauter erachteten Anschreibens an potentielle Mandanten auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadenersatzpflicht in Anspruch.

Die Parteien sind als Rechtsanwälte u.a. mit der Vertretung von Anlegern im Zusammenhang mit fehlgeschlagenen Fondsgesellschaften befasst. Zu ihren Mandanten gehören jeweils auch Anleger der in Insolvenz befindlichen Grundrendite Liegenschaften GmbH & Co. Immobilien Fonds KG. Die Kommanditisten der KG werden vom Insolvenzverwalter derzeit - teils schon im Klagewege - auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Anspruch genommen.

Im September 2010 versandte die Beklagte den im Tenor wiedergegebenen Rundbrief, der, jeweils persönlich an die Empfänger adressiert, an zahlreiche Kommanditisten der Fondsgesellschaft, die nicht von ihr anwaltlich vertreten wurden - darunter auch an mindestens drei Mandanten des Klägers (vgl. Anlagenkonvolut K 1) - gerichtet war. Eine vom Kläger darob unter dem 20.9.2010 ausgesprochene Abmahnung (Anlage K 2) hat die Beklagte mit Schreiben vom 24.9.2010 (Anlage B 1) zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Klägers stellt dieses Schreiben eine nach § 43b BRAO verbotene, da auf die Erteilung eines Mandats im Einzelfall gerichtete, Werbung dar, welche der Beklagten nach § 4 Nr. 11 UWG zu untersagen ist: Der Beklagten sei die teils bereits erfolgte, teils drohende Inanspruchnahme der Kommanditisten durch den Insolvenzverwalter bekannt gewesen, sie habe daher um deren akuten Beratungsbedarf in einer konkreten Rechtsangelegenheit gewusst. Durch die angeblich erfolgversprechendere gemeinsame Interessenvertretung - eine Behauptung, die nicht zutreffe und daher irreführend sei, jedenfalls aber die Adressaten verunsichere, könnten diese doch nicht zuverlässig einschätzen, ob ein konzertiertes Vorgehen gegen den Insolvenzverwalter nicht doch vorteilhafter sei - habe sie überdies versucht, einen zusätzlichen Beratungsbedarf zu wecken und sich dabei den Empfängern des Rundschreibens regelrecht aufgedrängt. Zahlreiche Mandanten des Klägers hätten das Schreiben denn auch als aufdringlich und belästigend empfunden und ihrem Ärger darüber gegenüber dem Kläger Luft gemacht. Die für die Unzulässigkeit einer Anwaltswerbung im Einzelfall teilweise geforderte Gemeinschädlichkeit, die schon in der Gefahr zu sehen sei, dass der Rechtssuchende ungewollt belästigt oder bedrängt werde und sich möglicherweise nicht mehr frei für einen Anwalt entscheiden könne, habe sich im Streitfall mithin sogar realisiert. Soweit das Schreiben an Kommanditisten gerichtet worden sei, deren Beratungsbedarf - wie die Beklagte ausweislich der Formulierung "... Anwaltskollegen, die Sie eventuell in dieser Angelegenheit bereits vertreten" wusste - schon gedeckt war, habe es nicht nur auf die Gewinnung neuer Mandate im Einzelfall abgezielt, sondern zusätzlich darauf, in fremde Mandantenbeziehungen einzugreifen und der Konkurrenz Mandate abzuwerben, was als gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG zu qualifizieren sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,...

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