Leitsatz (amtlich)

1. Gestattet ein Steinmetz, der Kaufmann ist, nicht nur im Einzelfall die Einlagerung fremder Grabsteine auf seinem Betriebsgelände, so gehört dies zu seinem Handelsgewerbe. Damit liegt jeweils ein handelsrechtliches Lagergeschäft vor, dessen Entgeltlichkeit vermutet wird. Ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen scheidet daher aus.

2. Ist der Einlagerer Verbraucher, hat der Lagerhalter (Steinmetz) das Lagergut (Grabstein) zu kennzeichnen. Verstößt er hiergegen und kommt der Grabstein abhanden, kann sich der Lagerhalter auch bei einem unentgeltlichen Geschäft nicht auf das Haftungsprivileg des § 690 BGB berufen.

3. Ist im Falle des § 655 ZPO eine Fristsetzung "ab Rechtskraft des Urteils" beantragt, verstößt das Gericht gegen § 308 ZPO, wenn es einen früheren Fristbeginn festsetzt, insbesondere wenn dies sogar zu einem Fristablauf vor Eintritt der Rechtskraft führt.

4. Die Herausgabeklage unter Fristsetzung nach § 255 ZPO kann mit einer bedingt für den Fall der nicht fristgerechten Herausgabe erhobenen Schadensersatzklage verbunden werden, wenn die Voraussetzungen des § 259 ZPO vorliegen.

 

Normenkette

BGB §§ 688, 690; HGB §§ 354, 467-468; ZPO §§ 255, 259, 308

 

Verfahrensgang

LG München (Aktenzeichen 11 O 3713/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des Landgerichts München II vom 13.11.2017 und das Versäumnisurteil des Landgerichts München II vom 16.9.2015 (Az. jeweils 11 O 3713/15) abgeändert und neu gefasst gemäß den folgenden Ziffern.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger das im August 2010 übergebene Grabmal aus "andeer grün Gneis", versehen mit einem Bronzekreuz sowie mit der Bronzeaufschrift "Familie Wunderlich", mit den Maßen 115 cm breit, 110 cm hoch, 18 cm tief und fünf Einfassungssteine aus "Andeer grün Gneis" mit Querschnitt 17 cm × 10 cm, bestehend aus einem Stein mit einer Länge 200 cm, zwei Steinen mit einer Länge von jeweils 180 cm und zwei Steinen mit einer Länge von jeweils 43 und 48 cm, herauszugeben.

Der Beklagten wird eine Frist zur Erfüllung der Herausgabe bis 8.9.2018 gesetzt.

Für den Fall der Nichterfüllung der Herausgabeverpflichtung binnen der Frist gemäß Ziffer 3 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.022,60 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.9.2018 zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 389,84 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2015 zu bezahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer Säumnis in erster Instanz zu tragen. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 44 Prozent und die Beklagte 56 Prozent zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Herausgabe eines Grabsteins nebst Grabeinfassungssteinen bzw. um Schadensersatz für den Fall der Nichtherausgabe.

Im Jahr 2010 ließ der Kläger die im Tenor näher bezeichnete Grabanlage durch den Zeugen M. in B. abbauen und auf das damalige Betriebsgelände der Beklagten in K. verbringen, wo sie im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer der Beklagten verblieb. Nachdem die Beklagte ihr Betriebsgelände in K. zwischenzeitlich aufgegeben hatte, konnte die Grabanlage im Jahr 2014 an den verbliebenen Standorten der Beklagten nicht mehr aufgefunden werden.

Der Kläger hatte zunächst die Herausgabe der Grabanlage, die Setzung einer angemessenen Frist hierfür nach Rechtskraft des Urteils, die Zahlung von 5.372,24 EUR nebst Zinsen ab Fristablauf sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren (492,54 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit) begehrt.

Am 16.9.2015 erließt das Landgericht Versäumnisurteil gegen die Beklagte gemäß § 331 Abs. 3 ZPO, wobei die Herausgabefrist bis zum 22.10.2015 gesetzt wurde und der Zinsbeginn für den Schadensersatzanspruch auf den 23.10.2015 bestimmt wurde. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 16.9.2015 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 16.9.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat das Versäumnisurteil mit den Maßgaben aufrecht erhalten, dass die Herausgabefrist bis zum 2.1.2018 gesetzt wurde und der Zinsbeginn für den Schadensersatzanspruch auf den 3.1.2018 bestimmt wurde. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klagabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.

B. Die Berufung der Beklagten hat nur zum Teil Erfolg. Im übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.

I. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte...

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