Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung. Testament

 

Leitsatz (amtlich)

Genehmigung eines vom Notar niedergeschriebenen letzten Willens bei mangelnder Sprech-, Hör- und Schreibfähigkeit des Erblassers BGB §§ 2232 S. 1, 2233 Abs. 2; BeurkG §§ 13 Abs. 1, 24.

1) Ist der Erblasser nicht mehr hör- und sprechfähig und ist auch eine schriftliche Verständigung nicht möglich, so erlangt ein nach den §§ 2232 S. 1, 2233 Abs. 2 BGB errichtetes Testament nur Wirksamkeit, wenn über eine beigezogene Vertrauensperson des Erblassers sichergestellt ist, daß der letzte Wille durch den Erblasser, so wie er in der Niederschrift inhaltlich erklärt wird, ohne Einschränkung genehmigt wurde. Hierzu ist erforderlich, daß sich die Vertrauensperson mit dem Erblasser verständigt, der in Kenntnis des Testamentstextes der letztwilligen Verfügung zustimmt.

2) Fehlt der gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 BeurkG in die notarielle Niederschrift aufzunehmende Vermerk über die Beiziehung einer Vertrauensperson und deren Verständigung mit dem Erblasser, so entfaltet die notarielle Urkunde keine Beweiskraft i.S.d. § 415 Abs. 1 ZPO für die in der Niederschrift festgehaltene Tatsache der Genehmigung der letztwilligen Verfügung durch den Erblasser.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein vom Notar niedergeschriebener letzter Wille bei mangelndem Sprech-, Hör- und Schreibvermögen des Erblassers muss von einer Vertrauensperson des Eblassers nach einer Verständigung mit ihm genehmigt werden.

 

Normenkette

BeurkG §§ 13, 24; BGB §§ 2232-2233

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 03.08.1995; Aktenzeichen 1 O 2810/93)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 03. August 1995 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch den Kläger durch Leistung einer Sicherheit von DM 15.000,– abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit leistet.

IV. Der Wert der Beschwer des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf DM 100.000,– festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des notariellen Testaments vom 8. März 1991 ihrer Mutter.

Am 17. August 1991 verstarb die am 17. Juli 1898 geborene und verwitwete Erblasserin A. Sie hinterließ 6 Kinder, darunter den Kläger und den Beklagten. A. lebte bis zu ihrem Tod in häuslicher Gemeinschaft mit dem Beklagten. Sie hatte am 30. Mai 1989 ein handschriftliches Testament errichtet, in dem sie letztwillige Verfügungen zugunsten ihrer 6 Kinder getroffen hatte. Bezüglich des genauen Wortlauts wird verwiesen auf Blatt 17 der Akten.

Am 08. März 1991 nahm der Notar Dr. H. eine letztwillige Verfügung der Erblasserin auf, mit der sie den Beklagten begünstigte. In der notariellen Niederschrift wurden vom Notar Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin festgehalten. Da die Erblasserin wegen ihrer körperlichen Schwäche nicht schreiben konnte, war als Zeuge F. hinzugezogen worden, der die Niederschrift unterzeichnete. Vor der Unterschrift des Zeugen F. und des Notars findet sich der Vermerk:

„Vorstehende Niederschrift wurde in Anwesenheit des Zeugen vom Notar vorgelesen, von Frau D. genehmigt und vom Zeugen wie folgt unterschrieben:

Es kann nicht festgestellt werden, ob Frau D. den Text beim Vorlesen voll verstanden hat. Lesen kann sie die Niederschrift offensichtlich nicht.”

Wegen des genauen Wortlauts dieser Niederschrift wird Bezug genommen auf Blatt 15 und 16 der Akten.

Der Kläger hat behauptet, „das Testament” vom 08. März 1991 sei nichtig. Der Notar habe nicht die Identität der Erblasserin festgestellt. Die Erblasserin habe keine Unterschrift mehr leisten können. Es sei zwar der Zeuge G. bei der Verlesung der Niederschrift und deren Genehmigung anwesend gewesen, dieser habe aber nicht feststellen können, ob die Erblasserin den Text verstanden habe. Dies sei aber notwendig und Sinn seiner Zuziehung nach § 25 Beurkundungsgesetz. Die Erblasserin sei nicht mehr testierfähig gewesen. Bereits am 31. Januar 1991 habe der Beklagte versucht, ein notarielles Testament durch Notar D. errichten zu lassen. Das habe Notar D. wegen der Testierunfähigkeit der Erblasserin abgelehnt. Der die Niederschrift vom 08. März 1991 aufnehmende Notar Dr. G. habe unzulängliche Maßnahmen zur Feststellung der Testierfähigkeit getroffen, indem er die Beiziehung des Arztes auf Verlangen des Beklagten als des Begünstigten unterließ.

Der Kläger hat die Ansicht geäußert, die §§ 24 Abs. 2, 27 Beurkundungsgesetz müßten entsprechende Anwendung finden, da der Notar wegen der Unfähigkeit der Erblasserin, sich richtig zu äußern, nur mit dem Beklagten verhandelt habe, der der Begünstigte sei.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, daß das notarielle Testament der Frau A. geborene A., vom 08.03.1991 – URNr. G 477/1991 des Notars Dr. H. – nichtig ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat sich darauf berufen, daß die Testierfähigkeit eines Erblassers grundsätzlich bis zum Beweis ...

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