Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung des Rechtsanwalts: Forderung der gesetzlichen Gebühren wegen Unwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt verstößt gegen Treu und Glauben, wenn er unter Berufung auf das anwaltliche Gebührenrecht nachträglich Gebühren geltend macht, auf die er ursprünglich durch Abschluss einer gegen eben dieses Gebührenrecht verstoßenden und daher unwirksamen Vergütungsvereinbarung verzichtet hat. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, weil sich der Mandant zuerst auf die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung berufen hat. Allein dieser Umstand lässt die vorgenannten Gründe, die die Abrechnung einer über die getroffene Vereinbarung hinausgehenden gesetzlichen Vergütung als treuwidrig erscheinen lassen, nicht entfallen.

 

Normenkette

BGB § 242; RVG § 3a

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 30.06.2011; Aktenzeichen 4 O 9659/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 30.6.2011 - 4 O 9659/10, dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 10.923,70 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.4.2010 zu bezahlen.

Im Übrigen werden die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

II. Der Beklagte ist des Rechtsmittels der Abschlussberufung verlustig.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 87 % und der Beklagte 13 %.

IV. Dieses Urteil sowie das in Ziff. I. genannte Urteil des LG München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten aus abgetretenem Recht die Zahlung von Rechtsanwaltshonorar.

Hinsichtlich des unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 86/98 d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 10.738,31 EUR zzgl. Zinsen zu bezahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, soweit die Klage abgewiesen wurde. Der Beklagte hat Anschlussberufung eingelegt, soweit er verurteilt wurde, diese aber im Termin vom 11.4.2012 wieder zurückgenommen.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass das LG den Honoraranspruch des Zedenten Rechtsanwalt L. auf den Betrag begrenzt hat, der in der Vergütungsvereinbarung Anlage K 4 als Honorar zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Sei eine Vergütungsvereinbarung - wie hier - unwirksam, könne es dem Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verwehrt werden, anstelle des unwirksam vereinbarten Honorars die gesetzlichen Gebühren auch in darüber hinausgehender Höhe zu verlangen. Etwas anderes gelte gem. § 242 BGB nur dann, wenn der Rechtsanwalt beispielsweise zu Werbezwecken mit einer geringen Vergütung werbe, um so Mandanten "einzufangen". Hier sei es aber der Beklagte gewesen, der um den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung dringend gebeten habe, weil er in Anbetracht seiner relativ angespannten finanziellen Situation die wegen der Höhe des Gegenstandswerts hohen gesetzlichen Gebühren gescheut habe. Auch habe sich ausschließlich der Beklagte auf die Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung berufen. Es liege damit kein treuwidriges Verhalten des Zedenten vor, sondern allenfalls des Beklagten. Die Klägerin könne damit den vollen in der Rechnung Anlage K 12 berechneten Betrag abzgl. der vom Beklagten geleisteten Vorschusszahlung verlangen. Die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung greife nicht durch, weil zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis bestehe, der Zedent selbst nie Ansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht habe und die Geltendmachung von Anwaltshonorar in berechtigtem Umfang auch nicht zum Schadensersatz verpflichte.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Urteils des LG München I Az. 4 O 9659/10 zu verurteilen, an die Klägerin weitere 79.553,89 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.4.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, soweit das LG die Klage abgewiesen habe, sei das Urteil richtig.

Ergänzend wird zum Vorbringen der Parteien in zweiter Instanz auf die Schriftsätze der Klägerin vom 5.9.2011 und 22.3.2012 (Bl. 107/115 und Bl. 132/133 d.A.) sowie des Beklagten vom 13.10.2011 (Bl. 119/123 d.A.) Bezug genommen. Des Weiteren wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11.4.2012 (Bl. 134/136 d.A.) Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme hat der Senat nicht durchgeführt.

II. Im Hinblick auf die Rücknahme der Anschlussberufung des Beklagten war nur noch über die Berufung der Klä...

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