Leitsatz (amtlich)

1. Dass eine Gesellschaft auf die Zuweisung steuerlicher Verluste ausgelegt ist, steht einer ergänzenden Vertragsauslegung der gesellschaftsvertraglichen Abfindungsregelung (hier: Buchwertklausel mit Zuschlagsregelung) nach den vom BGH (BGH, Urt. v. 24.5.1993 - II ZR 36/92, MDR 1993, 854 = GmbHR 1993, 505 = WM 1993, 1412; v. 20.9.1993 - II ZR 104/92, MDR 1993, 1188 = GmbHR 1993, 806 = BB 1993, 2265) aufgestellten Grundsätzen nicht entgegen.

2. Die Prüfung der Frage, ob die gesellschaftsvertragliche Regelung über die Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters bei Würdigung aller Umstände nach den Grundsätzen von Treu und Glauben mit den Mitteln der ergänzenden Vertragsauslegung zu korrigieren ist, hat sich am Maßstab eines auf redlichen Interessenausgleich bedachten Gesellschafters zu orientieren.

3. Haben die Gesellschafter die ursprünglich vereinbarte Regelung über das Auseinandersetzungsguthaben bei einer Neufassung des Gesellschaftsvertrags geändert, so steht dies nur dann einer ergänzenden Vertragsauslegung entgegen, wenn hierin eine Willensentschließung der Gesellschafter zum Ausdruck kommt, wie sie von redlichen Vertragspartnern bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben angesichts der geänderten Verhältnisse zu erwarten ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 17.11.1999; Aktenzeichen 15 HKO 10777/99)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG München I vom 17.11.1999 weiter abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.952,57 Euro nebst 6 % Zinsen hieraus seit 1.1.2001 zu bezahlen.

III. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger am 31.12.2004 weitere 31.642,83 Euro nebst 6 % Zinsen hieraus seit 1.1.2001 zu bezahlen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

V. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VII. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Abfindung seines Geschäftsanteils nach seinem Ausscheiden aus der Beklagten.

Der Kläger war mit einem Geschäftsanteil von 1 % als Kommanditist an der Beklagten beteiligt. Mit Schreiben vom 29.12.1998, der Beklagten zugegangen am 30.12.1998, erklärte der Kläger fristgerecht die Kündigung seiner Beteiligung zum 31.12.1999.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine im Jahre 1968 gegründete Gesellschaft, deren Geschäftsgegenstand die Verwaltung des Kapitalvermögens der Gesellschaft sowie die Anschaffung, Bebauung und Nutzung von Grundbesitz und die Vornahme aller hiermit zusammenhängenden Geschäfte ist. Die Rechtsbeziehungen der Parteien regelt der Gesellschaftsvertrag vom 18.2.1989 (Anlage K 1), der in den wesentlichen Zügen dem vorangegangenen Gesellschaftsvertrag aus dem Jahre 1973 (Anlage B 1) entspricht. Im Jahre 1989 geändert wurde die Regelung über das Auseinandersetzungsguthaben eines Gesellschafters nach seinem Ausscheiden.

In § 13 des Gesellschaftsvertrags aus dem Jahre 1973 war dazu folgendes bestimmt:

"II. Das Auseinandersetzungsguthaben errechnet sich aus der Summe der Guthaben von Kapital- und Rücklagenkonto abzgl. etwaiger Schulden auf Darlehenskonten. Hierzu kommt - zur Abgeltung aller stillen Reserven und immateriellen Werte - ein anteiliger Zuschlag. Dieser Zuschlag errechnet sich aus einem Gesamtzuschlag zum Grundvermögen des Anlagevermögens i.H.v. 5 % wenn der Grundbesitz mindestens 5 volle Geschäftsjahre und von 10 % wenn der Grundbesitz mindestens 10 volle Geschäftsjahre oder länger im Anlagevermögen stand. Aus diesem Gesamtzuschlag erhält der Ausseichende einen seinem Anteil gem. § 4 entsprechenden Anteil. Außerdem erhält der Ausscheidende einen weiteren Zuschlag i.H.v. 50 % eines nach Durchschnitt der letzten 5 Jahre vor dem Ausscheiden errechneten Jahresgewinns, der auf den Anteil des Ausscheidenden entfallen ist.

III. Das Auseinandersetzungsguthaben ist in 3 gleichen Jahresraten auszubezahlen, die erste Rate in dem auf das Ausscheiden folgenden Kalenderjahr. Das jeweilige Restguthaben ist mit 6 % zu verzinsen."

In § 14 des Gesellschaftsvertrags aus dem Jahre 1989 ist nunmehr geregelt:

"II. Das Auseinandersetzungsguthaben errechnet sich aus der Summe der Guthaben auf Kapital-, Darlehens- und Rücklagenkonten abzgl. etwaiger Schulden auf Darlehenskonten und der anteiligen Beträge auf einem negativen Kapitalkonto. Hinzu kommt - zur Abgeltung aller stillen Reserven und immateriellen Werte - ein anteiliger Zuschlag. Für die Errechnung dieses Zuschlags werden die Buchwerte der immateriellen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit einem Zuschlag versehen. Dieser beträgt für jedes Wirtschaftsgut 1,5 % der ursprünglich aktivierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten für jede...

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