Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Vorrang des Ausbildungsinteresses des Unterhaltspflichtigen vor dem Unterhaltsinteresse eines minderjährigen Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Unterhaltspflichtiger, der nach Absolvierung einer Lehre und dem Erwerb der Fachhochschulreife ein Studium an einer Fachoberschule aufnimmt, befindet sich in einer einheitlichen mehrstufigen Ausbildung, der gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB für seine minderjährigen Kinder grundsätzlich der Vorrang einzuräumen ist (Anschluss BGH, 4.5.2011 - XII ZR 70/09, FamRZ 2011, 1041(Rz. 31)).

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2 S. 1; GG Art. 6; UhVorschG § 7

 

Verfahrensgang

AG Neu-Ulm (Beschluss vom 12.01.2012; Aktenzeichen 2 F 915/11)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Endbeschluss des AG - Familiengericht - Neu-Ulm vom 12.1.2012 abgeändert.

Der Antrag des Antragstellers wird abgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

III. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Antragsteller macht Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner für die Kinder Lea G., geboren am 12.9.2002, und Joana G., geboren am 27.10.2008, geltend, die - nach Behauptung des Antragstellers - aufgrund der Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen nach § 7 UVG für Lea i.H.v. 5.433 EUR für die Zeit von 1.6.2008 bis 12.3.2011 und für Joana i.H.v. 3.443 EUR für den Zeitraum vom 1.12.2008 bis 12.3.2011 auf ihn übergegangen seien.

Zur Darstellung des Sachverhalts und der Anträge wird vorab auf den erstinstanzlichen Beschluss Bezug genommen. Ergänzend ist folgendes auszuführen:

Für den Zeitraum von Februar bis einschließlich Mai 2008 werden - entgegen der Ausführungen im erstinstanzlichen Beschluss - keine Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend gemacht, weil der Antragsgegner in dieser Zeit aufgrund eines Bandscheibenvorfalls erkrankt war.

Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Übergang der Unterhaltsansprüche der Kinder gem. § 7 Abs. 2 UVG in Höhe der Zahlungen liegen unstreitig vor. Der am 5.6.1986 geborene Antragsgegner, der nichteheliche Vater beider Kinder, wurde mit Rechtswahrungsanzeige vom 27.2.2008 darüber informiert, dass für Lea Unterhaltsvorschuss gezahlt wird. Bezüglich Joana erfolgte die Information des Antragsgegners über die Unterhaltsvorschussleistungen mit Rechtswahrungsanzeige vom 24.6.2009.

Mit Jugendamtsurkunde vom 15.1.2003 (Urkunden-Nr. 38/2003 LRA Neu-Ulm) hatte sich der Großvater der Kinder und Vater des Antragsgegners, Hans T., verpflichtet, für Lea P., nunmehr G., für die Zeit vom 12.9.2002 bis "zur wirtschaftlichen Selbständigkeit des Kindesvaters" den Regelunterhalt i.H.v. 135 % zu zahlen. Der titulierte Unterhalt wurde bis einschließlich Januar 2008 geleistet. Eine Vollstreckung aus der Jugendamtsurkunde ist in der Folgezeit nicht erfolgt. Mit Schreiben vom 23.8.2011 teilte der Titelschuldner dem Antragsteller mit, dass "aus der Urkunde nicht mehr vollstreckt werden könne, da deren Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien".

Der Antragsgegner hat das H.-Gymnasium in Ulm im Juli 2005 verlassen, da er wegen der Note im Fach Chemie nicht in die 12. Klasse versetzt werden konnte. Aufgrund einer früheren Wiederholung einer Klasse war ihm ein erneutes Wiederholen und damit eine Fortsetzung der schulischen Ausbildung an einem Gymnasium nicht mehr möglich. Nach erfolgreichem Abschluss einer Lehre zum Einzelhandelskaufmann in dem von seiner Mutter betriebenen Reformhaus in abgekürzter Lehrzeit von Januar 2006 bis Februar 2008 war der Antragsgegner aufgrund eines Bandscheibenvorfalls im Zeitraum von Februar bis Mai 2008 erkrankt. Der Antragsgegner, der von September 2008 bis Juli 2009 die Berufsoberschule besucht und dort im Juli 2009 das Fachabitur abgelegt hat, beabsichtigt sein im September 2009 an der Fachhochschule aufgenommenes Studium der Fachrichtung "Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation" im Jahr 2013 mit dem akademischen Grad Bachelor abzuschließen und sodann eine berufliche Tätigkeit im Bereich des Projektmanagements aufzunehmen.

Mit Endbeschluss vom 12.1.2012 hat das AG - Familiengericht - Neu-Ulm den Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet, an den Antragsteller "für den Zeitraum 1.2.2008 bis 12.3.2011 vom Antragsteller an das minderjährige Kind Lea G., geboren 12.9.2002, geleistete Unterhaltszahlungen i.H.v. 5.433 EUR" und "für den Zeitraum 1.12.2008 bis 12.3.2011 für das minderjährige Kind Joana G., geboren 25.10.2008, geleistete Unterhaltszahlungen i.H.v. 3.443 EUR" zu zahlen.

Zur Begründung hat das Erstgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Antragsteller stehe gem. § 7 UVG ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 8.876 EUR zu, da er in dieser Höhe Leistungen nach dem UVG erbracht habe, für die der Antragsgegner im geltend gemachten Zeitraum verpflichtet gewesen sei. Der Antragsgegner sei auch - fiktiv - leistungsfähig. Obwohl er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unstre...

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