Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsgegner, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Beschwerdebegründung, Wesentlicher Verfahrensmangel, Elterliche Sorge, Verfahrenswert, Gewaltanwendung, Rechtsschutzbedürfnis, Entziehung des Sorgerechts, Video-Aufnahmen, Beweismittel, OLG Brandenburg, Familiengerichtliches Verfahren, Beschlüsse des Amtsgerichts, Aufhebung und Zurückverweisung, Beweisverwertungsverbot, Verletzung des Persönlichkeitsrechts, Bild- und Tonaufnahme, Amtsgerichte, Persönliche Anhörung

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 15.12.2020; Aktenzeichen 551 F 9129/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 15.12.2020 einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht München zurückverwiesen.

2. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Hinsichtlich der Sachverhaltsdarstellung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:

Das Amtsgericht München hat mit Beschluss vom 15.12.2020 der Antragstellerin die alleinige elterliche Sorge für alle drei Kinder übertragen, den Umgang des Antragsgegners mit den Kindern vorläufig bis zum 14.06.2021 ausgesetzt, dem Antragsgegner - befristet bis zum 14.06.2021 - untersagt, die Wohnung J.-Str. 10 in M. zu betreten, sich im Umkreis von 50 m von dieser Wohnung aufzuhalten und in irgendeiner Form Kontakt zu den Kindern aufzunehmen, sowie dem Antragsgegner bis zum 14.12.2021 untersagt, die Kinder ins Ausland zu verbringen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er eine Aufhebung des Beschlusses begehrt.

Der Senat hat die Beteiligten mit Hinweisbeschluss von 23.02.2021 darauf hingewiesen, dass das Verfahren des Amtsgerichts erheblich mangelhaft war, und hat angefragt, ob ein Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht gestellt wird.

Einen solchen Antrag haben sowohl Antragstellerin als auch Antragsgegner gestellt. Der Verfahrensbeistand hat sich dem angeschlossen.

II. Auf die Beschwerde des Antragsgegners war der Beschluss des Amtsgerichts München vom 15.12.2020 gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht München zurückzuverweisen, da ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt und der Antragsgegner die Aufhebung und Zurückverweisung beantragt hat.

1. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 15.12.2020 leidet bereits deshalb an einem erheblichen Verfahrensmangel, weil das Amtsgericht die Kinder nicht persönlich angehört hat. Die Anhörung eines Kindes unter 14 Jahren ist nach § 159 Abs. 2 FamFG dann erforderlich, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist. Die Neigungen, Bindungen und der Kindeswille sind gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls, sodass in allen Verfahren betreffend das Sorgerecht und den Umgang regelmäßig eine Anhörung auch des unter 14 Jahre alten Kindes erforderlich ist, und zwar grundsätzlich bereits ab einem Alter von 3 Jahren (BGH FamRZ 2016, 1439).

Eine Anhörung der Kinder konnte nicht allein unter Berufung auf die Corona-Pandemie unterbleiben. Soweit räumliche Möglichkeiten bestehen, die betreffenden Kinder in größeren Räumen, notfalls im Sitzungssaal, anzuhören, und dadurch das Infektionsrisiko auf ein Minimum verringert wird, bietet die Corona-Pandemie keinen Anlass, auf eine Anhörung der Kinder zu verzichten (Dürbeck in: Staudinger/Dürbeck, BGB, Neubearbeitung 2019, Rn. 430.1 zu § 1684 BGB). Soweit teilweise angenommen wird, eine Anhörung von Kindern könne während der Corona-Pandemie unterbleiben, bezieht sich dies lediglich auf Kinder unter 6 Jahre (OLG Brandenburg NJ 2021, 27). Danach wären vorliegend aber zumindest die Kinder Alina und Luisa anzuhören gewesen.

2. Das Amtsgericht hat zudem nicht geprüft, ob hinsichtlich beider Elternteile eine Entziehung des Sorgerechts nach § 1666 BGB in Betracht kommt.

Der Antragsgegner hat bereits vor dem Amtsgericht angegeben, Anfang des Jahres 2020 in der gemeinsamen Ehewohnung ohne Wissen der Antragstellerin eine Videokamera installiert zu haben. Er hat vorgebracht, auf den Aufnahmen dieser Videokamera sei zu sehen, wie die Antragstellerin die Kinder immer wieder misshandelt habe. Im Termin zur mündlichen Erörterung vor dem Amtsgericht am 15.12.2020 hat der Antragsgegner behauptet, vom 25.01.2020 bis zum 12.05.2020 habe die Mutter gegen die Kinder 29 mal körperliche Gewalt und 51 mal psychische Gewalt angewandt. Am 25.01.2020 um 19:50 Uhr habe die Antragstellerin beispielsweise das Kind Luisa geschlagen. Dies sei auf den Videoaufnahmen zu sehen. Zwar hat der Antragsgegner erstmals in der Beschwerdebegründung detailliert mehrere Vorfälle benannt, in der ...

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