Leitsatz (amtlich)

1. Eine nachträgliche Feststellung dahingehend, dass der Nachlasspfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt, ist jedenfalls im Vergütungsverfahren nicht möglich (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12.02.2014, XII ZB 46/13).

2. Ist die Feststellung der Berufsmäßigkeit der Führung der Nachlasspflegschaft unterblieben, ist die Vergütung des Nachlasspflegers nach Ermessen des Gerichts unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit sowie des - gegebenenfalls nur geschätzten - angefallenen Zeitaufwands zu bemessen (Anschluss an OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 19.05.2022, 20 W 271/18).

3. Als Anhaltspunkt für eine angemessene Bemessung des Stundensatzes können in diesen Fällen die Sätze des § 3 VBVG dienen.

 

Normenkette

BGB a.F. § 1836; BGB §§ 1875, 1960; VBVG § 3

 

Verfahrensgang

AG Altötting (Aktenzeichen VI 000633/06)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Altötting - Nachlassgericht - vom 13.04.2023, Az. VI 000633/06, abgeändert:

Für die Tätigkeit des Nachlasspflegers (Beteiligter zu 2) wird eine Vergütung in Höhe von 4.579,00 EUR nebst Auslagen in Höhe von 30,00 EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 1/3.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 14.979,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Erblasserin ist am xx.xx.2006 verstorben. Mit Beschluss vom xx.xx.2006 bestellte das Nachlassgericht den Beteiligten zu 2 zum Nachlasspfleger, dem die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses und die Ermittlung der Erben übertragen wurde. Die Feststellung der berufsmäßigen Führung des Nachlasspflegschaft unterblieb.

Am 17.03.2022 beantragte der Nachlasspfleger die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von 14.979,00 EUR und legte zugleich eine Stundenliste für seine Tätigkeit vor, nach der insgesamt 132,50 Stunden angefallen sind. Das Nachlassgericht setzte mit Beschluss vom 13.04.2023 die Vergütung antragsgemäß fest.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 22.05.2023. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die vorgelegte Abrechnung des Nachlasspflegers nicht prüffähig und einige abgerechnete Tätigkeiten nicht plausibel seien. Das Nachlassgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 31.05.2023 nicht ab und legte die Akten dem Senat zur Entscheidung vor.

Mit Beschluss vom 16.10.2023 wies der Senat darauf hin, dass eine Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers als berufsmäßiger Nachlasspfleger nicht in Betracht kommen dürfte, weil eine entsprechende Feststellung im Bestellungsverfahren unterblieben ist. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Hinweisbeschluss vom 19.10.2023 Bezug.

II. Das weitere Vorbringen im Beschwerdeverfahren führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Beschwerde hat deshalb in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg.

1. Soweit der Nachlasspfleger in der Sache weiter vorträgt, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung im Hinblick auf die Frage, in welcher Höhe vorliegend seine Vergütung festzusetzen ist.

a) § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB a. F., der vorliegend gemäß § 18 des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021 (BGBl. 2021 Teil I Nr. 21) zur Anwendung kommt, knüpft die Vergütung eines Berufsvormunds an die vom Nachlassgericht zu treffende Feststellung an, dass der Vormund die Vormundschaft berufsmäßig führt. Damit soll "Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit" für den Vormund wie das Mündel erreicht werden. Die Feststellung wirkt daher positiv wie negativ konstitutiv (MüKoBGB/Fröschle, 8. Aufl. 2020, BGB, § 1836 Rn. 10).

Eine spätere Feststellung der Berufsmäßigkeit ist auch ohne Änderung der Verhältnisse als neue Erstentscheidung möglich, da sie letztlich der Entlassung des Betreuers bei sofortiger Neubestellung mit der Feststellung der Berufsmäßigkeit entspricht. Auch die nachträgliche Feststellung muss deshalb aber im Bestellungsverfahren und nicht im Vergütungsverfahren getroffen werden (BGH, Beschluss vom 12.02.2014, XII ZB 46/13, BeckRS 2014, 5634).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt eine Festsetzung der Vergütung des Beteiligten zu 2 als berufsmäßiger Nachlasspfleger vorliegend nicht in Betracht:

aa) Selbst dann, wenn die Feststellung der Berufsmäßigkeit der Führung der Pflegschaft nachträglich möglich sein sollte und der Nachlasspfleger - wie dem Senat bekannt - über die entsprechenden Voraussetzungen verfügt, käme diese nachträgliche Feststellung im hier anhängigen Vergütungsverfahren nicht in Betracht. Insoweit teilt der Senat die Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 12.02.2014, XII ZB 46/13, BeckRS 2014, 5634; OLG Frankfurt, 20 W 271/18, ErbR 2023, 954). Die vor dieser Entscheidung ergangene entgegenstehende obergerichtliche Rechtsprechung ist durch das vorgenannte höchstrichterliche Urteil überholt.

bb) Ob eine nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit der Tätigkeit des Nachlasspflegers im Bestellungsverfahren vorlieg...

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