Leitsatz (amtlich)

Auch wenn die Beauftragung eines Rechtsanwaltes "am dritten Ort" im Einzelfall kostenrechtlich als sachdienlich anzusehen ist, beispielsweise weil die Kriterien der BGH-Rechtsprechung zum sog. "Hausanwalt" erfüllt sind oder weil die Partei eine Vielzahl von gleichartigen Prozessen im gesamten Bundesgebiet zu führen hat, bedeutet dies nicht, dass die Mehrkosten dieses Anwaltes am dritten Ort automatisch in voller Höhe erstattungsfähig sind.

Wird der Rechtsstreit am Sitz der Partei geführt und sind auch dort Rechtsanwälte tätig, die als "Hausanwalt" in Betracht kämen, dann besteht kein Grund, die erstattungspflichtige Partei mit den Mehrkosten zu belasten, die daraus resultieren, dass der ständig beauftragte Anwalt seinen Geschäftssitz an einem anderen Ort hat.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 41 O 9718/19)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert der Beschwerde beträgt 244,79 EUR.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der in Düsseldorf ansässige Kläger machte mit seiner vor dem Landgericht München I erhobenen Klage Ansprüche auf Rückabwicklung eines Leasingvertrages aufgrund eines von ihm als Verbraucher erklärten Widerrufs geltend.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine mit einem bayerischen Automobilkonzern in Verbindung stehende und bundesweit tätige Bank mit Geschäftssitz in München; mit der Durchführung des Rechtsstreits beauftragte sie Prozessbevollmächtigte aus Köln, die sie auch in anderen Fällen mandatiert.

Das Landgericht wies die Klage mit Endurteil vom 17.01.2020 ab (BI. 63/72 d.A.) und legte die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auf; die Berufung blieb ohne Erfolg.

Mit Kostenfestsetzungsantrag betreffend die erste Instanz vom 21.01.2020 (BI. 73/74 d.A.) machte die Beklagte für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 14.01.2020 in München auch die Fahrtkosten ihrer aus Köln angereisten Anwältin in Höhe von 289,59 EUR geltend.

Der Kläger trat dem unter Verweis darauf entgegen, die Beklagte habe ihren Sitz am Ort des Prozessgerichts, beides in München; die Beauftragung einer Kanzlei aus Köln sei nicht notwendig gewesen, da auch in München ausreichend qualifizierte Rechtsanwälte vorhanden seien.

Demgegenüber beruft die Beklagte sich darauf, sie führe bundesweit gerichtliche Verfahren und bediene sich hierzu seit vielen Jahren ihrer auf Leasingfragen spezialisierter Prozessbevollmächtigten; diese verfügten über einen profunden Einblick in Struktur, Organisation und Vertragsabläufe bei der Klägerin und seien daher als ihre "Hausanwälte" anzusehen. Es bestehe ein tiefes Vertrauensverhältnis, welches bei Beauftragung von Rechtsanwälten jeweils vor Ort nicht gegeben wäre. Dieses Vertrauensverhältnis und die Organisationsstruktur seien nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch kostenrechtlich zu respektieren. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien damit in der Lage, die übergebenen Fälle ohne bzw. mit nur einer kurzen Besprechung bei der Klägerin telefonisch umfassend und sachgerecht zu bearbeiten. Andernfalls müsse die Beklagte einzig zur Instruktion der jeweiligen Rechtsanwälte weitere Mitarbeiter vorhalten, was nicht gefordert werden könne.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.07.2020 (BI. 128/129 d.A.) setzte das Landgericht die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten der I. und II. Instanz fest; als Reisekosten berücksichtigte die Rechtspflegerin dabei nur die fiktiven Kosten eines Anwaltes von einem am weitesten vom Gerichtgebäude entfernt liegenden Ort innerhalb des Gerichtsbezirks, mithin Fahrtkosten in Höhe von 19,80 EUR und eine Abwesenheitspauschale in Höhe von 25,00 EUR. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf die Entscheidung des OLG München vom 04.02.2020 - 11 W 1542/19, JurBüro 20, 134, die gleichfalls zu anwaltlichen Reisekosten der hiesigen Beklagten ergangen war.

In ihrer dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde macht diese geltend, nach den von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen zum sog. "Hausanwalt" seien hier auch die höheren Reisekosten des "Rechtsanwalts am dritten Ort" zur Terminswahrnehmung erstattungsfähig: Zwar mögen am Geschäftssitz der Beklagten weitere Kanzleien mit Spezialisierung auf das Bank- und Kapitalmarktrecht ansässig sein; die Kanzlei in Köln werde jedoch nicht nur aufgrund ihrer speziellen Ausrichtung auf das Leasingrecht (einer Untergruppe des Bank- und Kapitalmarktrechts, die auch nicht von allen Fachanwälten für Bank- und Kapitalmarktrecht abgedeckt werde) beauftragt, sondern auch weil sie über die Zertifizierung "ISO/IEC 27001:2013" verfüge; sie sei mit der Beklagten und umgekehrt bezüglich des Daten- und Informationsaustausches systemmäßig vernetzt und hier müssten "extrem hohe" Anforderungen an die Datensicherheit erfüllt sein. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens, insbesondere zu der digitalen Vernetzung zwischen Anwalt und Mandant, wird auf den In...

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