Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenz einer Kommanditgesellschaft: Voraussetzungen für die Geltendmachung der Kommanditistenhaftung durch den Insolvenzverwalter; Verteilung der Darlegungs- und Beweislast

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorlage der Insolvenztabelle ist zum Zweck der substantiierten Darlegung des Anspruchs eines Insolvenzverwalters einer Publikums-KG gegen den Kommanditisten auf Rückzahlung der Kommanditisteneinlage ausreichend (Anschluss BGH, 20. Februar 2018, II ZR 272/16, BGHZ 217, 327).(Rn. 84)

2. Forderungen, die für den Ausfall festgestellt sind, werden erst bei der Frage der Unterdeckung berücksichtigt.(Rn. 95)

3. Die widerspruchslose Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle führt gemäß §§ 129 Abs. 1, 162 Abs. 1 HGB dazu, dass sowohl der Komplementär, der für die KG hätte Einwendungen im Insolvenzverfahren geltend machen können, als auch die Kommanditisten, die grundsätzlich gemäß § 164 Abs. 1 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind und einer Handlung von persönlich haftenden Gesellschaftern nicht beachtlich widersprechen können, aufgrund der mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO folgenden Rechtskraftwirkung keine Einwendungen gegen die festgestellten Gläubigerforderungen erheben können.(Rn. 107)

4. Auch die Einwendung, dass der Kommanditist mit einem Bürgen vergleichbar sein könnte, ist aufgrund der Wirkungen der widerspruchslosen Feststellung zur Insolvenztabelle ausgeschlossen (Anschluss OLG München, 4. Juni 2018, 23 U 1542/17, ZInsO 2018, 1517).(Rn. 112)

5. Der Kommanditist muss darlegen und beweisen, dass die von ihm geforderte Haftsumme zur Befriedigung der Gläubiger nicht benötigt wird.(Rn. 118)

6. Erforderlich ist hierfür die Darlegung und der Beweis einer sicheren Prognose, dass nach derzeitiger Sachlage zum Zeitpunkt des Verteilungstermins auch ohne die streitgegenständliche Forderung eine vollständige Befriedigung aller Gläubiger erfolgen kann.(Rn. 119)

7. Ein Insolvenzverwalter darf Mittel nicht nur exakt bis zum Betrag der festgestellten Forderungen, sondern in einem angemessenen, je nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Umfang auch darüber hinaus einfordern, ohne dass ihm bereits der Einwand entgegen gehalten werden kann, er benötige die entsprechende Einlage zur Befriedigung der Gläubiger nicht mehr.(Rn. 122)

 

Normenkette

InsO §§ 38, 39 Abs. 1 Nrn. 1-2, §§ 41, 52 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Urteil vom 11.10.2018; Aktenzeichen 1 HK O 1039/17)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 11.10.2018, Az. 1 HK O 1039/17, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 29.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.7.2017 zu bezahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter einer Publikums-KG gegen die Beklagte als Kommanditistin Zahlungsansprüche aufgrund der teilweisen Rückzahlung deren Kommanditeinlage gemäß §§ 171, 172 Abs. 4 HGB geltend.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Endurteil des Landgerichts - Kammer für Handelssachen - Kempten (Allgäu) vom 11.10.2018 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die nach Durchführung eines Mahnverfahrens (Mahnbescheid vom 19.12.2016, zugestellt am 22.12.2016, und Eingang der Akten nach Abgabe beim Streitgericht am 3.7.2017) auf Zahlung von 29.000,00 Euro zuzüglich gesetzlichen Zinsen seit Rechtshängigkeit gerichtete Klage (Anspruchsbegründung vom 1.2.2018) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2018 ohne Beweisaufnahme abgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger die geltend gemachten Gläubigerforderungen bereits nicht substantiiert dargelegt habe, was durch Vorlage der Insolvenztabelle möglich gewesen wäre, aber trotz gerichtlicher Aufforderung nicht geschehen sei.

Die vorgelegten Anlagen seien Eigentabellen des Klägers, ohne dass eine Feststellung der jeweiligen Forderung durch das Gericht vorgelegt worden wäre.

Soweit keine festgestellte Insolvenztabelle vorgelegt worden sei, bleibe es dem Kläger unbenommen, die geltend gemachten Forderungen in sonstiger Weise substantiiert vorzutragen und unter Beweis zu stellen, was jedoch ebenfalls nicht geschehen sei.

Die Klage sei auch deshalb abzuweisen, weil der Kläger dem Einwand der Beklagten hinsichtlich einer Erfüllung nicht in der erforderlichen Weise entgegengetreten sei.

Insbesondere habe der Kläger trotz gerichtlichem Hinweis vom 16.7.2018 nicht vorgetragen, inwieweit die zum Ausfall festgestellten Forderungen in Höhe von 11.456.908,77 Euro aufgrund des tatsächlichen Verkaufs der Schiffe noch existierten.

Der Vortrag des relevanten Sachvortrags hie...

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