Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers einer GmbH i.S.v. §§ 2 I Nr. 3a, 5 I 3 ArbGG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit der Abberufung aus der Organschaft bzw. mit deren Eintragung in das Handelsregister entfällt die gesetzliche Fiktion des § 5 I 3 ArbGG.

2. Nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 I 3 ArbGG ist anhand des Anstellungsverhältnisses zu prüfen, ob der abberufene Geschäftsführer einer GmbH deren Arbeitnehmer ist mit der Folge der Zuständigkeit der ArbG gem. § 2 I Nr. 3a ArbGG.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 02.09.2014; Aktenzeichen 14 HK O 3086/14)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des LG München I vom 2.9.2014 aufgehoben.

2. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für unzulässig erklärt.

3. Der Rechtsstreit wird an das ArbG München verwiesen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger war Geschäftsführer der Beklagten. Er macht mit seiner Klage die vertraglich vereinbarten Bezüge für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014 geltend. Der Kläger hält die ordentlichen Gerichte für zuständig. Die Beklagte hält dagegen die Gerichte für Arbeitssachen für zuständig und hat deshalb die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten gerügt.

II. Das angerufene LG München I hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 2.9.2014 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt (Bl. 71 d.A.). Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 25.9.2014 (Bl. 84 d.A.), der das LG mit Beschluss vom 22.10.2014 (Bl. 93 d.A.) nicht abgeholfen hat.

III. Die form- und fristgerecht (§ 17a IV 3 GVG, § 569 ZPO) eingelegte Beschwerde ist in der Sache begründet. Zuständig sind die ArbG.

1. Die Fiktion (Koch, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl., ArbGG, § 5 Rz. 6) des § 5 I 3 ArbGG, wonach gesetzliche Vertreter einer juristischen Person nicht Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG sind, greift nicht ein.

a) Denn nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien (Bl. 3 der Klageschrift; Bl. 30 des Schriftsatzes der Beklagtenseite vom 24.3.2014) war der Kläger in dem Zeitraum, für den er die streitigen Bezüge geltend macht (Dez. 2013/Jan. 2014), als Geschäftsführer bereits abberufen. Die Abberufung erfolgte mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 17.4.2013 zum 1.6.2013. Die Abberufung wurde am 26.11.2013 in das Handelsregister eingetragen (Anlage K 5).

Dies hat das LG verkannt; streitig ist zwischen den Parteien nämlich lediglich, ob die Kündigung des Anstellungsvertrages (u.a. aus formellen Gründen) unwirksam ist (s. Schriftsatz der Klägerseite vom 23.4.14, Bl. 2 = Bl. 19 d.A.). Auf die Frage einer Doppelrelevanz von streitigen Tatsachen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.10.2009 - VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873, Rz. 16) kommt es daher nicht an.

b) Besteht zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag (was hier streitig ist, s. dazu sogleich Ziff. 2), so entfällt mit "Abberufung aus der Organschaft" (BAG, Beschl. v. 15.11.2013 - 10 AZB 28/13, Rz. 18) bzw. mit deren Eintragung in das Handelsregister (BAG, Beschl. v. 26.10.2012 - 10 AZB 55/12, Rz. 21), hier also jedenfalls für die Zeit nach dem 26.11.2013, die Fiktion des § 5 I 3 ArbGG (Koch, a.a.O., Rz. 7).

2. Ausweislich des unstreitig der Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten zugrunde liegenden Vertrages vom 10.6.2010 (Anlage K 1) stand der Kläger bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis i.S.d. § 2 I Nr. 3a ArbGG.

a) Die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH kann auf einem Arbeitsvertrag beruhen (BAG v. 26.10.2012, a.a.O., Rz. 14).

b) Der Vertrag vom 10.6.2010 ist ein Arbeitsvertrag. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines Vertrages zur Arbeit im Dienst eines anderen verpflichtet ist.

Maßgeblich ist hierbei, dass die einverständliche konkrete Ausgestaltung des Vertrages als unselbständige, persönliche Abhängigkeit begründende Arbeitsleistung zur Anwendung des Arbeitsrechts führt, selbst wenn die Parteien dies nicht wollen (Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl., BGB, § 611 Rz. 41). Der Vertrag vom 10.6.2010 ist dadurch geprägt, dass der Kläger weisungsgebunden ist (§ 1 I 2). Er hat seine gesamte Arbeitskraft der Beklagten zur Verfüng zu stellen (§ 4 I 1). Er ist zwar nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden, hat aber jederzeit der Beklagten zur Verfügung zu stehen (§ 4 I 2), was naturgemäß zur Folge hat, dass eine Tätigkeit für andere Auftraggeber praktisch ausscheidet, zumal die Übernahme jedweder anderweitigen Tätigkeit - selbst unentgeltlich - der Zustimmung der Beklagten bedarf (§ 5 I). Er hat Anspruch lediglich auf ein festes Gehalt (§ 6 I), wohingegen die Auszahlung einer variablen Vergütung ("Tantieme") im - jedenfalls nach dem Vertragswortlaut - nicht kontrollierbaren, freien Ermessen der Beklagten steht (§ 6 II). Dem Kläger stehen 28 Tage - also eine fest bemessene Anzahl - Urlaub zu, wobei er den Urlaub nicht etwa frei bestimmen kann, sondern diesen in Abstimmung mit den übrigen Geschäftsführern und unt...

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