Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsvollstreckerzeugnis, Grundbuchamt, Zwischenverfügung, Neuer Erbschein, Erbscheinserbe, Einstweilige Anordnung, Gutgläubiger Erwerb, Verfügungsberechtigung, Nachlaßgericht, Aufhebung der einstweiligen Anordnung, Kraft guten Glaubens, Grundbucheintragung, Eintragung im Grundbuch, Grundbuchverfahren, Gutglaubensschutz, Eintragung einer Auflassungsvormerkung, Kostenentscheidung, Anordnung der Testamentsvollstreckung, Beschwerdeberechtigte, Notarielle Verträge

 

Leitsatz (amtlich)

Allein eine die Rückgabe des Erbscheins an das Nachlassgericht verfügende einstweilige Anordnung reicht nicht aus, um die auch für das Grundbuchamt geltende Vermutung der Rechtsinhaberschaft des im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Erbscheinserben zu entkräften.

 

Normenkette

BGB § 891; FamFG § 49; GBO § 19

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Memmingen - Grundbuchamt - vom 23.8.2023 aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Beteiligten begehren die Eintragung einer Auflassungsvormerkung an einem Grundstück.

Als Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks war im Grundbuch C. P. eingetragen. Diese verstarb am ...2022. Am 12.12.2022 erteilte das Nachlassgericht R. H. einen Erbschein, in dem er als Alleinerbe der C. P. ausgewiesen war, und der Beteiligten zu 1 ein Testamentsvollstreckerzeugnis.

Mit notariellem Vertrag vom 5.6.2023 übertrug R. H. das Grundstück der Beteiligten zu 1 in Erfüllung erbrechtlicher Anordnungen zu Alleineigentum. Die entsprechende Eintragung im Grundbuch erfolgte am 5.7.2023.

Am 4.8.2023 erließ das Nachlassgericht eine einstweilige Anordnung nach § 49 FamFG, in der es R. H. und die Beteiligte zu 1 zur Rückgabe der erteilten Ausfertigungen des Erbscheins bzw. des Testamentsvollstreckerzeugnisses aufforderte, da Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins bestünden.

Mit notariellem Vertrag vom 17.8.2023 verkaufte die Beteiligte zu 1 das Grundstück an die Beteiligten zu 2 und 3 zu je hälftigem Miteigentum. Zugleich bewilligte die Beteiligte zu 1 und beantragten die Beteiligten zu 2 und 3 zur Sicherung des Anspruchs die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch.

Mit Zwischenverfügung vom 23.8.2023 forderte das Grundbuchamt den Urkundsnotar auf, einen neuen Erbschein beizubringen, der R. H. als Erben ausweise, da das Grundbuchamt nicht zum gutgläubigen Erwerb verhelfen dürfe. Aufgrund der Anordnung der Rückgabe des Erbscheins bestünden Zweifel an der Verfügungsbefugnis des R. H.

Gegen diese Zwischenverfügung hat die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 24.8.2023 Beschwerde eingelegt. Die Vermutung, dass demjenigen, für den im Grundbuch ein Recht eingetragen sei, das Recht auch zustehe, gelte auch für das Grundbuchamt. Ein eingetragenes Recht sei deshalb als bestehend und der eingetragene Berechtigte als der verfügungsberechtigte Inhaber des Rechts anzusehen, solange diese Vermutung nicht durch den vollen Beweis ihres Gegenteils widerlegt sei.

Der Urkundsnotar hat mit Schreiben vom 31.8.2023 ergänzend Stellung genommen. Bereits im Grundsatz werde bestritten, dass das Grundbuchamt einen Rechtserwerb nicht herbeiführen dürfe, von dem es wisse, dass er nur aufgrund guten Glaubens erfolge. Selbst wenn man dieser überkommenen Auffassung folgen wollte, lägen die Voraussetzungen für die Einschränkung des Gutglaubensschutzes hier aber schlicht nicht vor. Die gesetzliche Vermutung für das Bestehen des im Grundbuch eingetragenen Rechts gelte auch für das Grundbuchamt selbst; sie werde erst durch den vollen Beweis des Gegenteils widerlegt. Es sei lediglich eine einstweilige Anordnung in der Nachlasssache ergangen, die im Übrigen zweifelhaft erscheine. Er gehe davon aus, dass die jetzige Bucheigentümerin jedenfalls ihrerseits gutgläubig erworben habe.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 7.9.2023 nicht abgeholfen. Durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung habe der Erbe nicht über das Grundstück verfügen können. Deshalb hätte die Testamentsvollstreckerin eigentlich die Übertragung an sich selbst samt entsprechender Auflassung erklären müssen. Dies würde kein unzulässiges Insichgeschäft darstellen, da die Testamentsvollstreckerin in Erfüllung einer Verbindlichkeit, nämlich des Vermächtnisanspruchs handle. Gehandelt habe jedoch nicht die Testamentsvollstreckerin, sondern der Erbe selbst und somit ein Nichtberechtigter, allerdings mit Zustimmung der Testamentsvollstreckerin. Dadurch sei ein gutgläubiger Erwerb der Beteiligten zu 1 ausgeschlossen, da dann sie auf beiden Seiten des Geschäfts stehe, damit kein Verkehrsgeschäft vorliege und sie nicht schutzwürdig sei. Aufgrund der einstweiligen Anordnung sei ein neuer Erbschein bzw. ein Nachweis über die Aufhebung der einstweiligen Anordnung zu verlangen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Insbesondere ist sie gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft, denn Entscheidungen des Grundbuchamts im Sinne dieser Bestimmung sind auch Zwischenverfügungen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO (OLG ...

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